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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Wieder und wieder drehte er sich um die eigene Achse und schlug zu, bis niemand mehr da war, der zurückschlagen konnte.
    Jemand berührte ihn am Arm, und er wirbelte herum und hob seine Waffe.
    Es war Avis, die sich vom Wagensitz herabgebeugt hatte. Sofort zog sie ihre Hand zurück. »Komm«, sagte sie mit bleichem Gesicht und sah dabei ängstlich die Schaulustigen an. »Wir haben keine Zeit mehr.«
    Gair betrachtete die feindlich wirkende Menge und die bösen Blicke. Drei Männer lagen reglos zu seinen Füßen, ein vierter lag in einer sich rasch ausbreitenden scharlachroten Lache einige Ellen entfernt. Der fünfte – derjenige mit dem Schnauzbart – blutete aus einer Fleischwunde am Oberschenkel, war aber noch auf den Beinen. Seine Hände schlossen sich um den Griff des blutigen Schwertes, das er vor sich ausgestreckt hielt. Hinter ihm brodelte es in der Menge.
    Avis hatte recht. Es war Zeit zu gehen.
    Er warf seinen Qatan auf die Wagenpritsche neben Resa und versuchte hinterherzuklettern, aber glühend heißer Schmerz flammte in seiner Seite auf, und er sackte unbeholfen über dem Rand der Ladeklappe zusammen. Die murmelnde Menge rückte näher. Er biss die Zähne zusammen, tastete mit der unverletzten rechten Hand nach Halt, dann schob ihm Resa ihre Arme unter die Achseln und zog ihn so weit hoch, dass er den Rest selbst bewältigen konnte.
    »Los!«, schrie er. Einige Männer drängten sich durch die Menge zu ihnen vor; sie waren eindeutig bewaffnet. » Los! «
    »Hüa!«, rief Avis und schnalzte mit den Zügeln der Maultiere. Der Wagen machte einen Satz nach vorn und rumpelte über das Pflaster. Rasch verließ er den Platz.
    Gair lag zwischen den Säcken und Körben auf der Pritsche, und jeder Stoß brachte ihm neue Schmerzen. Resa beugte sich über ihn und riss seinen Arbeitskittel auf.
    »Es geht mir gut«, keuchte er. »Ich glaube, es ist keine tiefe Wunde.« Er log; sie brannte wie Feuer.
    Resa bedeutete ihm, er möge still sein, und benutzte ein Ende seines Kittels dazu, das Blut wegzuwischen. Dann durchsuchte sie ihre Vorräte, fand schließlich eine Flasche mit Wasser und kippte es über seiner Wunde aus. Er unterdrückte einen Schrei, als ihre Finger die Wundränder betasteten. Sie nickte zufrieden, tippte gegen eine seiner Rippen und ahmte mit der anderen Hand eine zustoßende Klinge nach.
    »Hat es die Rippe geritzt?«
    Resa nickte erneut. Es war also nicht allzu ernst. Ihre Hände machten die Bewegungen des Vernähens nach.
    Der Wagen hüpfte über eine holperige Straßenkreuzung, und er fluchte erneut.
    »Entschuldigung«, keuchte er, als der Schmerz nachgelassen hatte. »Es sticht ein wenig.«
    Gair drückte sich gegen die Säcke und Körbe, schloss die Augen und versuchte sein Bewusstsein von der Wunde abzulenken. Wieder einmal musste er genäht werden. Die ersten Fäden steckten noch in seiner Schulter. Zweifellos würde Alderan ein paar nette Worte zu sagen haben, wenn sie ins Tochterhaus zurückkehrten.

3 3
    Wieder fiel Schnee, als Teia aus ihrem Unterschlupf hervorkam. Große weiße Flocken legten sich in dicken Schichten auf die Zelte und die Bäume, deren Äste sich unter dem Gewicht beugten wie alte Männer unter der Bürde des Winters.
    Die Morgendämmerung war kaum angebrochen, aber das Feuer draußen brannte schon, und ein Kessel dampfte auf den Steinen. Lenna hockte daneben, hatte sich eine schneebestäubte Decke umgelegt und schwenkte die Teekanne, damit das Gebräu schneller fertig wurde.
    Für die Banfaíth. Für mich .
    Seit vier Tagen ging es nun schon so. Teia hatte darauf beharrt, dass sie allein zurechtkam, aber sobald sie den anderen Frauen den Rücken zuwandte, brachte ihr jemand etwas zu essen oder goss ihr Tee ein – sogar Gerna machte mit, aber sie war dabei so widerlich schmeichlerisch, dass Teia stets froh war, wenn sie wieder ging. Jeden Nachmittag baute einer der Männer einen neuen Unterschlupf für sie oder kümmerte sich so eifrig um Finn, als ob der Graubraune sein eigenes Pferd sei. Und niemand verriet, wer ihm den Befehl dazu gegeben hatte.
    »Guten Morgen, Banfaíth«, sagte Lenna und goss Tee in einen Becher. »Dein Tee.«
    »Danke, Lenna.«
    Teia legte die Hände um den Becher und genoss die Wärme, dann nippte sie an dem Tee, während sie zusah, wie sich die Menschen allmählich im Lager regten. In dem trüben, schattenlosen Licht bewegten sie sich durch den fallenden Schnee wie Gestalten in einem Traum, fern und vage. Sogar die Spuren, die sie

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