Die wilde Jagd - Roman
ihr. Sie hatten keine Gestalt, keine Farbe. Sie waren nur ein Geheul, ein Aufblitzen von Zähnen in der Finsternis, aber sie holten auf. Egal, wie schnell Teia durch das Gewirr der Höhlen rannte, sie hörte die Bestien, die ihr auf der Spur waren, und deren Geräusche trieben sie weiter voran.
Ihr keuchender Atem hallte in dem engen Tunnel wider, vom Bellen der Hunde begleitet. Jedes Mal, wenn sie es hörte, schien es näher gekommen zu sein. Mit jedem Schritt, den sie machte, machten die Tiere zwei; sie schossen mit gnadenloser, erschreckender Geschwindigkeit auf Teia zu.
Es gab keinen Ausweg. Jede Biegung führte zu einer weiteren Biegung. Wenn es zunächst bergauf ging, fiel der Weg bald wieder ab und umgekehrt, und er änderte die Richtung manchmal so plötzlich, dass sie gegen die rauen Felswände prallte und sich die Haut aufriss. Immer wenn sie das Gleichgewicht verlor, hörte sie, wie die Hunde ein wenig näher kamen. Sie rannte und rannte, bis ihr Lunge und Kehle brannten, doch irgendwie gelang es ihr, in der endlosen Dunkelheit immer weiterzulaufen.
Jemand rief ihren Namen. Die schwache Stimme ertönte tief in ihrem Kopf, beinahe unhörbar durch die Furcht, die sie fest im Griff hielt. Die Stimme rief erneut. Teia kam taumelnd zum Stehen und lauschte. Nun herrschte Stille, dann bellten die Hunde wieder, als hätten sie eine frische Spur gerochen. Jammernd vor Entsetzen lief sie los, doch da hörte sie die Stimme ein drittes Mal. Sie klang nicht freundlich, aber fest und vertraut und schien keinen Widerstand zu dulden.
Sie schlug die Augen auf. Ythas Gesicht schwamm im Lichtschein der Lampe und wurde allmählich deutlicher. Teia kreischte auf. Schmerz schoss durch ihre Seite und verwandelte den Schrei in ein Keuchen, dem ein Aufschluchzen folgte.
»Keine Sorge, mein Kind«, sagte die Sprecherin. Ihr Lächeln war nicht sehr beruhigend; es war kalt und raubtierartig. »Hier wird dir kein Leid angetan.«
»Die Hunde …« Teias Stimme klang erstickt; ihre Zunge schien zu groß für den trockenen Mund zu sein.
Das Gesicht der Sprecherin zuckte, dann war es wieder ruhig. »Hier sind keine Hunde. Du hast geträumt.«
»Ich … Ich habe sie gehört. Sie haben mich gejagt.«
»Wie ich schon sagte, du hast geträumt. Hier sind keine Hunde. Du hattest dich in unserem Gewebe verfangen, das ist alles.« Ytha starrte sie eindringlich an. »Du musst zumindest eine gewisse Gabe besitzen.«
»Die Gabe? Ich?« Macha, beschütze mich, sie weiß es . Teia krallte die Hände in das Fell, das über ihr ausgebreitet war. Ytha weiß es! Sie musste die Augen kurz schließen, um nicht mehr das Gefühl zu haben, in eine bodenlose Grube zu stürzen.
»Alles ist gut, mein Kind«, sagte die Sprecherin brüsk. »Wir reden später darüber, wenn du dich ausgeruht hast. Die Vorstellung kann natürlich beängstigend sein.« Sie legte ihre kühle Hand auf Teias Stirn. »Wenigstens hast du kein Fieber wie einige der anderen.«
»Der anderen?«
»Es waren sechs von euch dabei, in der Hauptsache Kinder. Manche Mädchen bekommen davon Fieber, Schüttelfrost. Albträume. Aber mit der Zeit überwindet man das.« Ein ehrliches Lächeln ließ die Mundwinkel der Sprecherin zucken und nahm ihrer Miene ein wenig die Strenge. »Es war ein besonderer Tag für den Clan, weil so viele von euch auf einmal entdeckt wurden.«
Teia biss sich auf die Lippe und versuchte die Schmerzen in ihrer Seite zu unterdrücken. Seit zwei Jahren befürchtete sie, Ytha könnte von ihrer Gabe erfahren. Jetzt wusste es die Sprecherin, aber sie hatte gleich sechs neue Personen mit der Gabe, um die sie sich kümmern musste. Vielleicht würde sie Teia deshalb weniger Aufmerksamkeit schenken.
»Was ist passiert, Sprecherin?«, fragte sie furchtsam. Vielleicht erfuhr sie etwas, wenn sie das Thema wechselte. »Ich habe Kopfschmerzen, und ich erinnere mich nicht an sehr viel.«
»Es war ein sehr mächtiges Weben. Wir haben eine der alten Göttinnen gerufen, damit sie uns hilft. Du scheinst gemeinsam mit den anderen zum Mittelpunkt des Gewebes hingezogen worden zu sein. Man hat dich bewusstlos auf dem Boden knapp außerhalb des Kreises gefunden.« Sie hielt inne. »Woran erinnerst du dich?«
Teia runzelte die Stirn und versuchte unsicher zu wirken. »Da war eine schreckliche Stimme, die von innen an meinem Kopf gekratzt hat, und ein Schild … Er hat mich angestarrt.«
»Hast du irgendwelche Worte gehört?«
»Ich kann mich nicht erinnern. Ich hatte so große
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