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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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eine Hure. Und ein Daigh ist für dich so gut wie jeder andere.« Er benutzte die grobe Bezeichnung für das männliche Geschlechtsteil, vermutlich, weil er sie schockieren wollte. »Du hast doch die Beine auch für den alten Häuptling breitgemacht, oder?«
    »Na und?« Teia befreite ihren Arm aus Decke und Fellen und packte sein Handgelenk. »Jetzt bin ich Drwyns Frau. Was wird er deiner Ansicht nach wohl tun, wenn er erfährt, dass du deine dreckigen Hände an mir hattest?«
    Er ließ sich nicht ablenken. »Er wird dich nicht heiraten. Kein Häuptling würde eine Braut nehmen, die keine Jungfrau mehr ist. Außerdem wäre er dich schon bald leid. Vielleicht würde er dich dann mir schenken.«
    »Wer sagt das? Die Sprecherin höchstpersönlich hat mich zu ihm geschickt, du Narr!« Sie bohrte ihre Finger in den kleinen Knochen unterhalb von Harls Daumennagel, bis seine Hand zuckte und sie sie wegstoßen konnte. Teia war zufrieden, als sie den Schmerz auf seinem Gesicht sah. »Denk nach, bevor du deine Finger in den Fleischtopf eines anderen Mannes steckst. Und jetzt setzt du mich ab! Ich will mein eigenes Pferd haben.«
    Harl zog an den Zügeln und brachte sein Reittier unvermittelt zum Stehen. Er ließ Teia ohne Vorwarnung los, sodass sie hilflos zu Boden rutschte. Sie konnte sich nirgendwo festhalten, landete unglücklich auf ihrem Fußknöchel und stieß einen spitzen Schrei aus.
    Ihre graue Stute war an Harls Sattel festgebunden. Er löste ihre Zügel und ließ sie fallen.
    »Da, Herrin«, höhnte er, gab seinem Pferd die Sporen und ließ Teia allein zurück.
    Langsam kämpfte sie sich auf die Beine. In ihrer Seite pochte es, und sie humpelte hinüber zu der Stute, während der Rest des Clans an ihr vorbei den steinigen Pfad in die Ausläufer der Berge hochtrottete. Die meisten machten ein ausdrucksloses Gesicht, doch manche beobachteten Teia neugierig, und sie fragte sich, wie viel sie von dem Vorfall mit Harl mitbekommen hatten. Vermutlich mehr als genug, um an den Kochfeuern darüber zu schwatzen.
    Sie richtete ihre Kleidung, stieg auf, wobei sie unter dem starken Schmerz in ihrem Knöchel zusammenzuckte, und wartete, bis sie ihre Familie vorbeireiten sah. Sie trieb ihre Stute auf sie zu, aber ihr Vater lenkte sein eigenes Pferd aus der Reihe und schnitt ihr den Weg ab.
    »Papa!«, protestierte sie und schaute an ihm vorbei. Trotz des Windes hielten ihre Schwestern die Köpfe aufrecht. Nur Ana warf ihr einen kurzen, schmerzerfüllten Blick über die Schulter zu.
    »Du gehörst nicht mehr zu uns«, sagte Teir und weigerte sich, sie anzusehen. »Wir sind nicht mehr deine Familie.«
    »Aber ich bin deine Tochter!« Tränen traten ihr in die Augen. Sie versuchte, sich an ihm vorbeizudrängen, doch das Pferd ihres Vaters war kriegserfahren und versperrte ihr den Weg nach einem kurzen Ruck an den Zügeln.
    »Das bist du einmal gewesen, jetzt aber nicht mehr. So lautet das Clangesetz. Die Sprecherin …« Ihm versagte die Stimme, und seine Lippen zuckten, als ob die Worte einen üblen Geschmack in seinem Mund verursachten. Eine Sekunde lang schaute er auf sie herunter, und sie sah den Kummer in seinen Augen. »Es ist nicht mehr so wie unter Drw. Schenk ihm einen Sohn, Teia. Bring ihn dazu, dass er dich heiratet. Stelle deine und meine Ehre wieder her.«
    Er wendete rasch sein Pferd und galoppierte voran zum Rest der Familie. Er warf keinen Blick mehr hinter sich. Teia sah ihm nach. Große Tränen kullerten ihr über die Wangen, und der bitterkalte Wind peitschte ihr die Haare ins Gesicht. Trauer stieg in ihrer Brust auf und schnürte ihr die Luft ab.
    »Ich bin bereits schwanger, Papa«, flüsterte sie. »Bitte komm zurück.«
    Teia zügelte ihr Pferd am Ende des steinigen Pfades, der zu den Höhlen hinaufführte. Ihr war kalt, und sie war müde, nachdem sie eine ganze Woche auf dem Boden geschlafen – oder vielmehr nicht geschlafen – hatte. Das Vorgebirge war so steil, dass keine Zelte aufgestellt werden konnten, und auch in den Decken und Fellen des Häuptlings und mit seinem Körper als Wärmequelle an ihrem Rücken hatte sie immer nur so lange schlafen können, bis entweder die Kälte oder die Schmerzen in der Rippe sie geweckt hatten.
    In den Zeiten zwischen dunklen, halb erinnerten Träumen hatte sie dem langsamen Zug der Monde über den Himmel zugesehen, bis die Sterne ganz langsam hinter den Bergen im Süden verschwunden waren. In der dritten Nacht waren Wolken aufgezogen und hatten ihr auch das unmöglich

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