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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Angst.« Sie sah Ytha mit großen Augen an und hoffte, die Sprecherin würde den Köder schlucken.
    Ytha erwiderte ihren Blick und nickte plötzlich. »Du brauchst Ruhe«, sagte sie. »Ich werde dir etwas zu trinken holen, und dann solltest du schlafen. Morgen reiten wir nach Süden, aber Drwyns Männer werden sich um dich kümmern, bis du wieder allein auf einem Pferd sitzen kannst.«
    Mit diesen Worten stand sie auf, wandte sich um und ging davon. Teia erlaubte sich einen leisen Seufzer der Erleichterung. Sie schaute auf zur Decke und den Wandbehängen und erkannte, dass sie sich in Drwyns Zelt befand, in ihrem Zelt. Der Tag war schon weit fortgeschritten; sie roch Rauch und Essensdünste und hörte die Kinder spielen. Sie musste stundenlang bewusstlos gewesen sein.
    Nach wenigen Minuten kehrte Ytha zurück und hielt Teia eine Schale mit warmer Milch und Honig entgegen. »Das wird dir helfen zu schlafen«, sagte sie.
    Teia stützte sich auf den Ellbogen und hob die Schale an die Lippen. Sie hatte schon einmal einen von Ythas Schlaftränken zu sich genommen und wusste, dass die Sprecherin weißen Mohnsaft hineingab; der Honig verdeckte dessen Geschmack. Er würde all ihre Beschwerden lindern, aber er würde sie auch sehr tief schlafen lassen. Wie tief und wie lange, hing von der Stärke des Gebräus ab.
    Sie zögerte. Wenn sie schlief, könnte der Albtraum zurückkehren und sie wieder so verzweifelt rennen lassen. Plötzlich hatte Teia Angst. Sie warf einen raschen Blick auf die Sprecherin. Ytha beobachtete sie, hatte fragend eine Braue hochgezogen, und so nippte Teia an dem Getränk. Vermutlich würde die Sprecherin warten, bis Teia die Schale leergetrunken hatte. Sie verschaffte sich ein wenig mehr Zeit, indem sie in die heiße Milch blies, damit sie abkühlte. Vielleicht würde die ältere Frau dabei die Geduld verlieren.
    Drwyn erwies sich einmal mehr als unfreiwilliger Wohltäter, denn in diesem Augenblick steckte er den Kopf in den Schlafbereich des Zeltes. Ytha warf ihm einen verärgerten Blick zu, hob die Hand und deutete an, er solle warten.
    »Du musst alles trinken«, ermahnte sie Teia. »Es wird dir guttun.«
    Teia neigte gehorsam den Kopf. »Ja, Sprecherin.«
    Ytha schürzte kurz die Lippen, schlang den Mantel enger um sich und ging in die andere Hälfte des Zeltes.
    »Ist alles in Ordnung mit ihr?«, fragte Drwyn sofort.
    »Sie hat einen bösen Schreck erlitten und schlecht geträumt, das ist alles. Ein guter und tiefer Schlaf wird alles wieder ins Lot bringen«, antwortete Ytha ihm. »Welche Neuigkeiten gibt es von den Häuptlingen?«
    Als die beiden nach draußen traten, gingen ihre Schritte und Stimmen im allgemeinen Lärm unter, der davon herrührte, dass das Lager abgebrochen wurde. Überall riefen die Leute, und die Tiere beschwerten sich lauthals. Da die Zusammenkunft vorbei war, reisten die Clans nun zu ihren Winterquartieren in den Höhlen und geschützten Tälern am Fuß der Berge und warteten im Schnee den Frühling ab.
    Teia stellte die noch immer volle Schale auf den Boden. Ytha wusste also von ihrer Gabe. Es war ein Wunder, dass es Teia gelungen war, sie so lange zu verbergen. Sie selbst wusste um sie, seit sie zum ersten Mal in Wasser geblickt und darin etwas anderes als ihr eigenes Spiegelbild gesehen hatte. Dann hatte Drw für sie geboten, und sie hatte angefangen, den Jungen mit dem Halsring des Häuptlings zu sehen, doch diese Vision hatte ihr keine Freude gemacht, sondern Angst, und sie hatte mit allen Mitteln verhindert, dass Ytha ein Auge auf sie warf. Die Sprecherin war sehr gut darin, Geheimnisse aufzudecken und sogar zu erfahren, was die Menschen lediglich dem Wind anvertraut hatten.
    Es war nur eine Frage der Zeit, bis Ytha auch von dem Kind erfuhr. Teia betastete ihren noch flachen Bauch. Wenn sie Glück hatte, würde sie den Häuptling heiraten und den Rest ihres Lebens in seinem Zelt verbringen, seine Schlaffelle wärmen und seine Schläge entgegennehmen.
    Bei Macha, das war doch kein Glück! Tränen traten ihr in die Augen. Sie zog die Knie an die Brust, obwohl es in ihrer Seite stark schmerzte, und vergrub das Gesicht in den Armen.
    Und was war, wenn Drwyn sie nicht heiratete oder sie verstieß wie seine erste Frau, die ihm nur eine Tochter geschenkt hatte und danach keine Kinder mehr bekommen konnte? Was dann? Vielleicht würde Ytha sie als Schülerin nehmen, und alles, was sie im Wasser gesehen hatte, wäre nichts als eine hässliche Totgeburt: der junge Häuptling, der

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