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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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dunkle Krieger, die vielen anderen Bilder, die sie nicht deuten konnte.
    Trotz der dicken Felle, die sie bedeckten, zitterte Teia. Sie befand sich an einer Gabelung ihres Lebensweges; es gab keinen Weg zurück, und keiner der nach vorn führenden Wege brachte sie an einen Ort, an den sie gehen wollte. Wie sie sich auch immer entscheiden mochte, es standen Gewitterwolken am Horizont.
    Oder sie ging ihren eigenen Weg und floh. Sie lief weg von den Crainnh und würde zu einer der Meanardh, der Verlorenen. Dann war sie nie wieder an einem Clanfeuer willkommen, doch wenigstens wäre sie frei.
    Sie schloss die Augen. Frei, allein zu sein, zu verhungern oder zu erfrieren. Sie könnte genauso gut am Witwenfelsen niederknien und den Kopf so lange dagegenschlagen, bis ihr das Hirn herausquoll. Der kurze Sommer der Ebene war fast vorüber, und der Winter würde sehr bald einsetzen. Schon trugen die Gipfel der Berge im Süden das gleiche Weiß wie die Sprecherinnen. Wenn sie jetzt floh, bedeutete das, dass sie ihre Mutter, die sie aufgezogen hatte, im Stich ließ, genauso wie ihren Vater, der ihr beigebracht hatte, wie man einen Bogen und ein Messer benutzte – um vom Rest der Familie erst gar nicht zu reden.
    Es schnürte ihr die Kehle zu. O Macha, nein .
    Neben ihrem Lager wartete Ythas Schlaftrunk, der noch leicht dampfte. Der süße Duft versprach einige Stunden Ruhe und einen Platz, an dem sie sich vorübergehend verstecken konnte: hoffentlich vor den Hunden, vor Drwyn und vor ihren eigenen Gedanken.
    Ihr blieb nichts anderes übrig. Sie ergriff die Schale und trank sie mit drei großen Schlucken leer.
    Als Teia erwachte, wurde sie sanft und langsam geschaukelt. Es war, als läge sie in einer Wiege. Sie öffnete die Augen, sah den Rand einer Decke und dahinter das Dach eines Zeltes. Nein, es gehörte nicht zu einem Zelt, denn es war zu grau und schwer für Leder. Der Himmel? Es war, als stächen ihr winzige Nadeln in Wangen und Lippen. Sie runzelte die Stirn. Zu kalt. Teia schloss wieder die Augen, vergrub sich in der Wärme, die sie umgab, und träumte von Pferden. Von langen Pferdereihen, die dahinzogen, und in der Ferne bohrten sich die weißen Zähne des Landes in die Bäuche der Wolken.
    Als sie die Augen das nächste Mal aufschlug, sah sie über die Decke hinweg den Arm und die Schulter eines Mannes und dahinter eine frostige Ebene, deren Gras sich unter dem unablässigen Wind beugte. Berge türmten sich am Horizont auf, der nun näher gerückt war; sie standen grellweiß vor dem bleigrauen Himmel. Nun ergab das Schaukeln einen Sinn. Der Clan befand sich auf der Reise in den Schnee, und sie saß auf einem Pferderücken.
    Ythas Trank war sehr stark gewesen; er hatte sie durch einen ganzen Tag und die Hälfte des nächsten getragen. Sie blinzelte und versuchte, den Mohndunst zu vertreiben, der noch an ihren Gedanken haftete. Dann schaute sie hoch zu dem Mann, der den Arm um sie gelegt hatte. Er roch nach fettigen Fellen und Schweiß, und der strähnige, herabhängende Schnauzbart kam ihr bekannt vor. Es war einer von Drwyns Kriegern – derjenige, der während der Wache stets in der Nase herumbohrte und sie gern wie zufällig streifte, wenn sie ihre Arbeiten verrichtete. Dumpf erinnerte sie sich, dass er Harl hieß, dann schloss sie wieder die Augen. Vielleicht hatte er nicht bemerkt, dass sie aufgewacht war.
    Bald döste sie wieder ein, bis das Trommeln weiterer Hufe sie abermals weckte.
    »Ich begebe mich ein Stück weiter nach vorn«, sagte Drwyns Stimme. »Die Sprecherin hat nach mir gerufen. Falls ich bei Sonnenuntergang noch nicht zurück bin, kümmerst du dich um sie, wenn wir das Lager aufschlagen.«
    »Natürlich, mein Häuptling«, antwortete Harl. Drwyn schnalzte mit der Zunge, und sein Pferd galoppierte davon.
    Teia versuchte, noch einmal einzuschlafen, aber es gelang ihr nicht. Nun erklommen sie bereits das Vorgebirge, und der steinige Boden sorgte für einen unruhigen Ritt, bei dem ihre gebrochene Rippe wieder stärker schmerzte. Dennoch hielt sie die Augen geschlossen. Sie war nicht in der Stimmung für Harls grobe Annäherungsversuche.
    Eine kalte Hand stahl sich zwischen den Fellen hindurch, legte sich um ihre Brust und drückte sie. Dann löste sie die Bänder an Teias Wams.
    »Drwyn wird deine Eier als Fischköder nehmen«, sagte sie leise, ohne die Augen zu öffnen. Die Hand erstarrte.
    »Nur, wenn du es ihm sagst.«
    »Warum sollte ich es nicht tun?«
    Harl zog weiter an den Bändern. »Du bist

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