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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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übernachten müssen, als es zu gefährlich geworden war, sich noch in der Nacht bis in den Schutz der Festung voranzukämpfen. Bei Tagesanbruch hatte der Schneefall ein wenig nachgelassen, doch die Wolken waren noch immer schwer und voll. Sie hingen über den Bergen, die die Festung von Saardost umgaben, und bedeckten den Himmel.
    Nur ein schwaches Glimmen im Schnee half Duncan dabei, sich einen Weg entlang des Vorsprungs über dem Tal zu suchen. Ein schwarzer Umriss vor dem weißen Berghang lockte ihn an. Er hockte sich in eine Felsspalte neben Kael. Unter ihnen lag die Festung auf der anderen Seite des Tals wie ein Fleck im Schnee.
    »Sag mir, wohin ich sehen soll«, meinte er, und Kael deutete auf den vagen Umriss des Ostturms. Duncan kniff die Augen zusammen, sah aber nur Schnee. »Ich kann gar nichts erkennen. Hier draußen ist es weißer als die Schenkel einer Jungfrau.«
    »Warte.«
    Da! Der fallende Schnee hob sich plötzlich wie eine Gardine vor einem offenen Fenster, und er sah einen orangefarbenen Schimmer, bevor sich der Vorhang wieder senkte. Feuerschein. Da war jemand entweder unvorsichtig oder äußerst selbstbewusst.
    »Wie viele?«
    »Mindestens zwei«, sagte Kael. »Im Torhaus befinden sich zwei Reitpferde und ein Packpony.«
    »Du bist da unten gewesen? Bei Slaines Eiern, Kael!« Duncan verkniff sich eine weitere Bemerkung. Es hatte keinen Sinn, Kael vorzuhalten, dass er sich in Gefahr gebracht hatte, oder ihm auszumalen, was hätte geschehen können, wenn er entdeckt worden wäre. Der blasse Sucher ging seine eigenen Wege, wie er es schon immer getan hatte. Ihn ändern zu wollen war etwa genauso sinnvoll, wie die Richtung des Windes ändern zu wollen.
    Kael zuckte die Achseln und sagte: »Wir mussten es wissen. Ihren Sattelamuletten nach zu urteilen, sind es Nimrothi.«
    Die Nimrothi hatten die Berge seit tausend Jahren nicht mehr in größerer Zahl überquert, nicht einmal, um Handel zu treiben. Duncan starrte ihn an. »Bist du sicher?«
    »Allerdings.«
    Natürlich. Kael irrte sich nie, wenn es um solche Dinge ging. Das waren keine guten Neuigkeiten. Duncan seufzte und wischte sich den Schnee vom Gesicht. »Du solltest Sor holen.«
    Kaels Umrisse verschmolzen mit dem Schneesturm. Wenige Minuten später knirschten Schritte durch den Schnee, als er mit Duncans Bruder zurückkehrte. Sie drückten sich in die Spalte neben ihm.
    »Zwei Späher?«, fragte Sor. Er blickte durch das Schneetreiben auf die mächtige Festung. »Wenn sie auch nur halb wach gewesen wären, hätten sie dich aufgespießt, bevor du die Brücke erreicht hättest, Kael.«
    »Ich habe einen anderen Weg nach unten genommen. Es gibt einen toten Winkel, wo die westliche Mauer gegen den Felsen stößt.«
    Sor grunzte. »Und sie haben keinen Grund zu der Annahme, dass sich ihnen jemand von dieser Seite nähert.«
    »Vermutlich haben sie Schutz vor dem Wetter gesucht, genau wie wir«, sagte Duncan. »Ich kann keine Spuren erkennen. In letzter Zeit sind sie nicht herausgekommen.« Sor fluchte leise, blinzelte sich den Schnee von den Wimpern und betrachtete die Festung, die immer wieder hinter den niedergehenden Flocken verschwand.
    »Sie warten auf etwas.« Duncan wechselte einen langen Blick mit seinem Bruder und wusste, dass er dasselbe dachte. Es ging um den Hund, auf dessen Spur sie waren.
    Er hatte sich auf östlicherem Kurs befunden, als Kael seine Spur zwei Tagesreisen nördlich des Brindlingsfalls verloren hatte, wo sie dem Torwächter begegnet waren. Sie waren über den Pass zurückgegangen und dann in östlicher Richtung an den Vorbergen des An-Archen vorbei in Richtung Heimat gereist, doch zehn Tage später hatte es in Kaels Sinnen bösartig geprickelt, und es hatte sie zurück nach Norden geführt, zur Festung von Saardost. Es konnte derselbe Hund sein oder auch ein anderer oder etwas noch Schlimmeres. Das konnte allein Kael sagen – und das auch nur, wenn er näher herankam.
    »Spürst du ihn noch, Kael?«, fragte Duncan.
    »Seit dem Einsetzen des Schneefalls hat er sich nicht bewegt«, antwortete dieser und schloss die Finger um den Griff seines Messers. »Vermutlich hat er sich verkrochen.«
    »Aber falls es ein anderer Hund ist, und die Clans haben ihn gerufen …« Sors blaue Augen waren hart wie Stein.
    »So dumm werden sie doch wohl nicht sein, oder?« Schon als er das sagte, spürte Duncan, wie es ihm die Eingeweide zusammenzog. Nein. Sie können es nicht vergessen haben .
    »Wir müssen wissen, was sie wissen.«

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