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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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erinnerte ihn daran, wie er an Sommerabenden an der Küste einen Stock in den glatten, nassen Sand gerammt und gehofft hatte, Muscheln auszugraben, die er dann in der Glut eines Feuers aus Treibholz garen konnte.
    »Haral hat mir etwas gesagt, was er bei Samarak in den Wüstenkriegen gelernt hat«, meinte Alderan geistesabwesend. »Er hat gesagt, dass die Schlacht schon halb gewonnen ist, wenn man das geeignete Terrain wählt.«
    »Das hat man uns auch im Mutterhaus gelehrt.« Nun bohrte Gair die Schwertspitze in den Boden zwischen seinen Füßen, verschränkte die Hände über dem Griff und sah Alderan geradeheraus an. »Man hat uns aber ebenfalls beigebracht, dass wir manchmal nicht die Wahl haben. Es gibt Zeiten, in denen wir unseren Feind angreifen müssen, wo er gerade ist.«
    Der alte Mann hielt seinem Blick stand, ohne zu blinzeln. »Ich werde nicht erlauben, dass du ihm nach Norden folgst, Gair.«
    Gair sah ihn finster an. »Ihr könnt mich nicht aufhalten.«
    Alderan kratzte sich am Bart und sagte: »Doch, das kann ich, aber es wäre mir lieber, wenn du Vernunft annehmen würdest. Wenn du jemanden nicht mit bloßer Kraft besiegen kannst, musst du es mit List und Tücke tun. Darin liegt keine Schande. Hab Geduld.«
    Gair sah den Wächter des Schleiers eindringlich an; sein Puls hämmerte bedrohlich heftig, und das Blut rauschte laut in seinen Ohren. »Ihr habt ›wenn‹ und nicht ›falls‹ gesagt. Ihr glaubt nicht, dass ich ihn besiegen kann.«
    »Wenn es jetzt zum Kampf käme?« Der alte Mann schürzte nachdenklich die Lippen. »Nein, das glaube ich wirklich nicht. In einem gerechten Kampf könnte es dir vielleicht gelingen, aber Savin war noch nie an gerechten Dingen interessiert. In Gimrael könnten wir einen Weg finden, ihm die Flügel zu stutzen, ohne dass er es bemerkt.« Er zeigte seine Zähne. »Es ist zwar nicht so direkt wie dein Ansatz, aber es könnte wirkungsvoller sein, zumindest bis du dich vollständig erholt hast.«
    Gair fühlte sich ungerecht behandelt und wandte ein: »Ich brauche keine Streicheleinheiten, Alderan. Es geht mir gut …«
    »Ja? Wirklich?« Blaue Augen starrten ihn an; sie waren unter den buschigen Brauen so kalt wie Gletschereis, und Gair musste den Blick abwenden, bevor sie zu viel sahen. »Erinnerst du dich, wie du mir im letzten Jahr versprochen hast, dass ich dich um etwas bitten darf, was du mir nicht abschlagen wirst?«
    In jenem Wirtshaus in Dremen … Plötzlich verspürte Gair ein flatterndes Gefühl von Angst im Bauch. Bestürzt starrte er auf den staubigen Boden. Wenn der alte Mann nun diesen Gefallen einforderte, durfte Gair ihn ihm nicht verweigern.
    Alderan grunzte zufrieden. »Ich sehe, dass du es nicht vergessen hast. Jetzt ist der Tag gekommen, an dem ich diese Bitte ausspreche. Komm mit mir nach El Maqqam. Vielleicht können wir diese elende Sache dort zu Ende bringen.«
    Jedes Gesicht ein Spiegelbild von Aysha, jede Stimme ihr Echo. Bitte mich nicht darum . »Ich kann es nicht.«
    Die Entschlossenheit auf dem Gesicht des alten Mannes wich nicht. Sie schien sogar noch zuzunehmen. »Du kannst es, und du wirst es, Gair«, sagte er barsch. »Bei deiner Ehre: diese eine Sache, und wir sind quitt.«
    Gair drehte sich auf dem Absatz um und ging hinüber zu der Scheide, in die er sein Schwert rammte, während er Alderan finster anschaute. »Er wird dafür zahlen. Die Göttin ist meine Zeugin: Ich werde Savin zugrunde richten.«
    »Und dann?«, wollte der alte Mann wissen. »Wenn du das Loch in deinem Herzen so mit Hass gefüllt hast, dass nichts anderes mehr darin Platz findet, was wirst du dann tun, wenn du nichts mehr hassen kannst?«
    »Das weiß ich nicht!« Gair warf das Schwert zu Boden. »Ich weiß es wirklich nicht, Alderan! Ich kann nicht weiter sehen als bis zu dem, was ich tun muss. Um alles andere kümmere ich mich später.«
    Er hatte in seine Zukunft geblickt, und sie endete mit Savins Tod. Die Straße führte bis zu einer Leiche; dahinter war nichts als Schwärze, als ob die Bedeutung des Leichnams so groß sei, dass sie alles Licht der Welt dahinter aufsaugte.
    Alderan streckte die Hand nach ihm aus, wollte ihm vielleicht sein Mitgefühl zeigen, aber Gair scheute vor der Berührung zurück, als würde sie Schmerzen verursachen.
    »Ich habe noch viel zu tun«, sagte er, hob sein Schwert auf und legte es sich über die Schulter.
    Der Blick des alten Mannes folgte ihm durch den Übungshof; Gair spürte ihn schwer im Rücken. So vieles war

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