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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Demonstration ihrer Macht, die Teia zeigen sollte, was geschah, wenn sie sich dem Tier in den Weg stellte. »Ich kann mich nur an Bruchstücke der Beschwörung erinnern, aber ich sehe andauernd Bilder von Maegern in meinen Träumen. Ihre Hunde jagen mich, und überall sehe ich Vernichtung.«
    »Du hast unseren Sieg gesehen, das ist alles«, sagte Ytha tadelnd. »Du hast gesehen, wie unsere Feinde vor uns hergetrieben werden, so wie sie es uns versprochen hat. Das Unheimliche bildest du dir nur ein, Mädchen.«
    Das stimmt nicht. Das weiß ich ganz genau . Teia holte tief Luft und nahm all ihren Mut zusammen. »Ich habe Angst, Sprecherin. Ich habe Angst vor dem, was Maegern tun könnte, wenn sie frei ist.«
    Ytha richtete sich auf. Teia beobachtete, wie sie ihre Autorität als Clansprecherin zur Schau stellte wie eine andere Frau einen Mantel. »Sie wird uns helfen, weil wir ihr helfen.«
    »Was für eine Hilfe sollte eine der alten Göttinnen von uns benötigen?«
    Eine Falte erschien zwischen Ythas Brauen. »Du stellst viele Fragen.«
    Teia neigte den Kopf und riss sich zusammen. »Vergebt mir, Sprecherin, aber diese Träume machen mir große Sorgen. Ich habe … böse Vorahnungen.«
    Eine knochige Hand packte ihren Kiefer und zwang sie, den Blick zu heben. Flammend grüne Augen starrten sie an; sie waren so eisig und fern wie Findails Banner am mitternächtlichen Himmel. »Zweifelst du etwa die Worte der Göttin an, Kind? Sie hat uns ihre Hilfe zugesagt. Willst du sie etwa eine Lügnerin nennen?«
    »N… nein«, stotterte Teia. Aufsteigende Panik erschütterte ihre Stimme, aber sie zwang sich weiterzusprechen. Ytha musste es begreifen – um ihrer aller willen. »Ich weiß nicht, was sie Euch gesagt hat, aber ich glaube, Ihr habt nur gehört, was Ihr hören wolltet. Sobald sie frei ist, braucht sie Euch nicht mehr. Sie wird tun, was sie schon immer getan hat, und die Wilde Jagd entfesseln.«
    Wenn sie der Sprecherin eine Ohrfeige gegeben hätte, wäre diese vermutlich nicht erstaunter gewesen als jetzt. Ihre sandfarbenen Brauen hoben sich. Für eine Sekunde verrutschte die Maske, und Teia sah das Gesicht der Frau dahinter. Sie musste früher einmal eine beachtliche Schönheit gewesen sein, bevor die Stürme der Ebene ihr die Sanftheit der Jugend genommen und tiefe Linien in das zurückgebliebene Leder gegraben hatten. Einen Augenblick später verzogen sich diese Linien zu einem Knurren.
    »Frevlerin!«
    Teias Kraft gab einen schrillen Warnton in ihrem Innern ab. Sie öffnete den Mund und wollte etwas sagen, doch Ythas Magie zog sich zusammen, pulste durch ihre Finger, und Teias Stimme versagte.
    »Du wagst es, schlecht von einer der alten Gottheiten zu sprechen? Du wagst es, schlecht von mir zu sprechen? Ich bin die Sprecherin der Crainnh.« Ytha zischte die Worte wie eine Viper. »Ich war es, die Maegern heraufbeschworen und mit ihr zum Wohle der Clans verhandelt hat. Niemand anders könnte das, niemand würde es wagen , ohne dass ich dabei den Weg aufzeige. Unser Sieg gegen die Eindringlinge wird bis in alle Ewigkeiten besungen werden, und er wird nach meinem Plan gelingen. Vergiss das niemals!«
    Ihre Augen verengten sich. Teia sah ihr eigenes Gesicht in ihnen gespiegelt. Es war blutleer vor Angst, und einen schrecklichen Moment lang glaubte sie, Ytha würde ihr nun die Gabe herausbrennen.
    »Und was ist mit dir, Teia? Du sagst, du wusstest nichts von der Gabe, bis du dich in meinem Gewebe verfangen hast, und jetzt lernst du schnell, zu schnell! Es ist selten, dass jemand, dessen Gabe noch neu ist, schon bald so stark ist. Die Kraft ist wie ein Muskel; sie muss beansprucht werden, wenn sie wachsen soll. Wie lange hast du schon im Geheimen geübt? Wie lange wusstest du es schon?« Harte Finger bohrten sich in Teias Wangen. »Antworte mir, Kind!«
    Eine Woge des Zwangs überspülte Teias Geist. Sie wurde ergriffen, durchgeschüttelt und zurechtgebogen. Sie würde antworten; sie musste es. Sie kannte ihre Gabe, seit Macha ihr die erste Blutung gebracht hatte. Warum hatte sie geglaubt, sie könnte es geheim halten? Es gab nichts, was Ytha nicht wusste oder was sie nicht herausfinden konnte. Es war besser, diese Information jetzt preiszugeben, bevor die Sprecherin in ihren Geist eindrang und sie sich mit Gewalt verschaffte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als aufzugeben.
    »Antworte mir!«
    Ythas Wille überspülte sie wie eine Welle nach der anderen, bis Teia glaubte, unter dem Gewicht zusammenbrechen zu müssen.

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