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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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verschwindet; sie sind gelockert, aber bereit . »Arlin war nie mein Freund.« Und los!
    Ein Schritt nach dem anderen, die Finte wurde zum Sprung, der Stoß wurde zum Zuschlagen eines stählernen Falken, dann wieder zurück, Drehung, anfangen, die ganze Schrittfolge gegen einen unsichtbaren Feind und nur das Singen der Klinge als Begleitmusik. Er spürte, wie Alderan ihn beobachtete und jede seiner Bewegungen abschätzte, doch seine vollkommene Konzentration führte dazu, dass die Kontrolle durch den alten Mann an ihm abperlte wie Regen an einer Fensterscheibe oder wie der Schweiß, der an seinem Rücken herunterlief, als die Sonne den Tag immer stärker wärmte und sein Langschwert durch die Luft fuhr.
    Quer durch den Hof und wieder zurück. Noch schneller, noch fließender. Er spürte nicht mehr, wie der Stoff seiner weißen Hose an den Beinen zupfte, und er spürte auch nicht die zunehmende Feuchtigkeit um die Hüften, die vom Schweiß ausging. Er näherte sich dem Punkt, an dem sich die Zeit ausdehnte und Hand und Gelenk und Arm sich schneller als Schlangen bewegten, schneller als Gedanken … da sprach Alderan wieder und zerstörte diesen Zustand.
    »Komm mit mir nach Süden.«
    Gair berechnete den nächsten Schritt falsch, und die Klingenspitze zog eine Linie durch den Staub, die seinen Zehen gefährlich nahe kam. »Was?«
    »Komm mit nach Gimrael. Ich glaube, ich weiß, wo wir Corlainns Sternensaat finden, und ich könnte deine Hilfe gebrauchen.«
    Gair richtete sich auf und atmete etwas schwerer. Zu Hause in Leah würden jetzt die Schneeglöckchen ihre Blüten aus den Schneewehen stecken, aber hier auf den Westinseln war der Frühling schon weit fortgeschritten, und es war so warm wie im Sommer im Norden. »Ich muss arbeiten, Alderan.«
    »Ich glaube, die Fakultät hat dich seit einem Monat nicht mehr in den Hörsälen gesehen«, sagte der alte Mann milde. »Du bist entweder hier, oder du wechselst die Gestalt und streunst irgendwo herum.«
    »Ihr wisst, was ich meine.«
    »Ja, und genau das bereitet mir Sorgen. Du arbeitest so hart daran, dich zu einer perfekten Waffe zu machen, dass du dir nicht einmal die Zeit gönnst, die deine Wunden brauchen, um zu heilen.« Alderan stand auf und schritt die drei knarrenden Stufen hinunter zum Übungsplatz. »Hast du noch Albträume?«
    Nun war Gair vollends aus dem Rhythmus gekommen. Er senkte das Schwert und stieß die Spitze in den Staub. »Manchmal«, sagte er ausweichend. Die Klinge hinterließ kleine Vertiefungen in der gestampften Erde; es sah aus wie Zeichen auf einem Zählstab. »Meistens sind sie nur verworren. Alle Erinnerungen sind zusammengemischt und miteinander verknotet. Tanith hat gesagt, dass es Zeit braucht, bis sich alles wieder beruhigt.«
    »Du musst von hier weggehen, damit du wieder richtig durchatmen kannst.«
    Gair sah zu, wie die Klinge für jeden anderen Traum eine Kerbe in die Erde schlug. Er spürte kaum, wie sich seine Hand zusammenzog und wieder entspannte, und er bemerkte auch das Gewicht des Stahls nicht, das an den Muskeln seines Unterarms zerrte. Die anderen Träume waren diejenigen, die am stärksten wehtaten. Nach ihnen erwachte er stets mit einem schweren Gewicht auf der Brust und dem Gefühl, als wäre seine Lunge aus kaltem, dunklem Stahl geschmiedet.
    »Ihr wisst, dass ich nicht aufs Festland zurückkehren kann. Dafür hat die Kirche gesorgt.«
    »Begleite mich. Die Wüste birgt ihre eigenen besonderen Gefahren, aber wenigstens ist sie weit weg von hier.« Alderans Stimme wurde sanfter. »Nicht alle Erinnerungen sind dazu geeignet, dass man sich an sie klammert, Junge.«
    »Glaubt Ihr wirklich, dass Gimrael mir helfen wird zu vergessen?«, fragte Gair verbittert. »Ein Ort, an dem mich jedes Gesicht, das ich sehen werde, an sie erinnert?« Noch ein Schnitt, tiefer als die anderen. Er lehnte sich auf die Klinge, trieb sie weiter in die Erde, schaute nicht auf. »Nein.«
    Der Gedanke, Aysha hier zurückzulassen, auch wenn sie schon lange zu Asche geworden war, erfüllte ihn mit einer Art Panik. Nicht unter den Gegenständen zu sein, die sie berührt hatte, nicht an dem gleichen Ort zu leben, an dem sie gelebt hatte … Nein. Das wollte er nicht. Das konnte er nicht.
    Als er die Schwertspitze noch tiefer ins Erdreich rammte, legte sich feiner brauner Staub auf die Klinge und machte sie matt. Doch es war nichts, was sich nicht mit einem Wetzstein wieder ins Lot bringen ließe. Es war seltsam befriedigend, die Erde zu furchen; es

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