Die Wilden Hühner
dann weiß sie, dass du hier rumgeschnüffelt hast«, sagte Melanie.
»Stimmt«, sagte Sprotte - und fühlte sich mit einem Schlag wieder unbehaglich. Aber sie ließ es sich nicht anmerken, und die drei suchten noch eine ganze Weile weiter.
Sie fanden Kisten voll altem Porzellan, voller Bücher und geflickter Kleider. Sie fanden eine kaputte Nähmaschine, eine zugestaubte Schmetterlingssammlung, verschimmelte Briefmarkenalben und eine Schachtel mit einer Perücke drin. Aber ein Schloss, in das der schwarze Schlüssel passte, war nicht zu entdecken. Schließlich guckte Trude auf ihre Uhr. »Oje, schon nach sechs! Ich muss nach Hause.«
»Nach sechs?«, rief Melanie erschrocken. »Ich sollte noch was einkaufen!«
»Na, dann suchen wir eben morgen weiter«, sagte Sprotte. »Ich glaub, hier oben finden wir sowieso nichts.« Sie wollte nicht weiter in Oma Slättbergs abgelegten Sachen rumstöbern, aber das sagte sie natürlich nicht.
Hastig kletterten sie die Leiter runter.
»Was sollst du denn kaufen?«, fragte Sprotte Melanie. »Eier, Kartoffeln und so was, wieso?«
»Kein Problem!« Sprotte ließ die Bodenleiter wieder einrasten. »Hab ich alles hier.«
Erstaunt sah Melanie sie an. »Na klar, daran hab ich ja gar nicht gedacht.«
Sprotte lachte etwas verlegen. »Ich schließ nur schnell das Haus ab und dann holen wir die Sachen. Ich fahr heute Abend auch nach Hause. Meine Mutter macht früher Schluss.«
Als sie nach draußen kamen, war der Himmel bewölkt, aber die Luft war mild und schmeckte nach Sommer.
Melanie lief zu ihrem Rad und holte eine Einkaufstasche.
»Also, hier steht«, stirnrunzelnd sah sie auf ihren Einkaufszettel, »zehn Eier, ein Kilo Kartoffeln, Bohnen, Bohnenkraut.«
Sprotte zuckte die Achseln. »Kein Problem.« Sie nahm Melanie die Tasche aus der Hand und lief zu den Gemüsebeeten. »Also erst mal die Bohnen«, sagte Sprotte. »Wusstet ihr, dass die giftig sind, wenn man sie roh isst?«
Melanie und Trude schüttelten die Köpfe.
Mit flinken Fingern pflückte Sprotte einen Berg von langen, schlanken Schoten, die an kleinen Büschen hingen. »Das hier sind die besten«, sagte sie. »Ganz zart und ohne Fäden.«
»Aha«, murmelte Melanie.
»Wie viel Bohnenkraut brauchst du?«
Melanie zuckte ratlos die Schultern.
Sprotte pflückte zwei dicke Büschel von einem dunkelgrünen Kraut, das in einer säuberlichen Reihe zwischen den Bohnensträuchern wuchs. »Riecht mal!«, sagte sie stolz und hielt es den beiden andern unter die Nase. »Meine Oma sät immer das einjährige. Das ist viel würziger.«
Trude und Melanie sahen sich an.
»Woher weißt du denn das alles?«, fragte Trude.
»Och, das lernt man eben.« Sprotte rieb sich die Nase, stand auf und kniete sich neben ein anderes, breiteres Beet.
»Also, Kartoffeln kann ich dir nicht ganz so viele geben«, sagte sie und steckte die Hände in die Erde. »Mit ihren Kartoffeln ist meine Oma nämlich scheußlich knickerig. Aber dafür schmecken sie viel besser als die aus dem Supermarkt.« »Ach, ist doch toll«, sagte Melanie. »Meine Tasche ist schon fast voll. Jetzt fehlen nur noch die Eier.«
»Kommen sofort.« Sprotte sprang auf und sie liefen zusammen zum Hühnerstall. Die Hennen schliefen natürlich schon wieder. Einen halb gefüllten Eierkarton hatte Sprotte noch im Vorraum stehen, den Rest holten sie aus den Nestern.
»Mensch, meine Mutter wird vielleicht staunen«, sagte Melanie, als sie zu ihren Rädern liefen.
Trude kicherte plötzlich. »Wie's wohl den Pygmäen geht?«
Sprotte warf einen prüfenden Blick zum Himmel. »Och, solange es nicht regnet ...«
»Meint ihr wirklich, die sind immer noch da oben?« Trudes Stimme klang etwas besorgt.
»Ach was, die hat bestimmt längst irgendein Spaziergänger befreit«, sagte Sprotte. »Und wenn nicht, dann merken wir's spätestens morgen in der Schule. Ach übrigens«, Sprotte grinste, »ihr könnt mir morgen beim Stallausmisten helfen.« »O ja, gerne!«, sagte Trude.
»Beim Stallausmisten? Igitt!« Melanie verzog das Gesicht. »Was zieht man denn dafür an?«
»Na, dein allerschickstes Kleid am besten«, sagte Sprotte. Einen Augenblick lang sahen sie und Melanie sich an. Dann grinsten beide.
»Bis morgen!«, sagte Sprotte und schwang sich auf ihr Fahrrad.
»Bis morgen!«, rief Trude ihr nach. »Und hoffentlich kann Frieda dann auch.«
»Ja, hoffentlich!«, rief Sprotte zurück. Trude hatte es schon wieder geschafft, ihr die Stimmung zu
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