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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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der seine Beine versuchte, da kam das Ferngespräch.
    Es bestand zunächst nur aus Quietschtönen und Nebengeräuschen, die ihm ganz willkommen waren, da er noch den Schnaps verdrängen mußte.
    Es war Schiele, aber Martin konnte kein Wort verstehen, das Geräusch wurde unterbrochen und kam wieder. Er erfuhr von den Vorgängen an der Börse und gab seine Anweisungen.
    Was ihn jedoch am meisten interessierte, konnte ihm sein Bevollmächtigter nicht mitteilen: Name und Adresse einer jungen aparten Frau, die er auf seinem Empfang Aschenbrödel genannt hatte.
    Sie lagen am Strand und sahen auf das Meer; Madame Rignier musterte mißtrauisch eine hübsche Italienerin, die mit Martin flirten wollte.
    »Sie – dir gefällt?« fragte Maman.
    »Es geht«, antwortete er.
    »Warum du nicht willst einmal eine Familie?«
    »Weil du das gar nicht möchtest, Maman.«
    »Das ist nicht wahr – Du weißt, ich möchte einen petit-fils.«
    » Sicher«, setzte Martin das Geplänkel fort, »du wünschst dir einen Enkel, aber du möchtest nicht, daß ich verheiratet bin – und das ist etwas, was nicht einmal ich dir bieten kann.«
    Oder doch? Martin dachte erstmals an Petra, seine Tochter, die jetzt schon fast vierzehn sein mußte.
    »Vielleicht bekommst du doch une petite-fille«, sagte er unvorsichtig.
    Es war zu spät, seine Andeutung zurückzunehmen. Maman wurde despotisch, bohrte und fragte, bis sie von Martins gescheiterter Kriegsehe und dem Kind erfuhr.
    »Du – 'ast es nie gesehen?« fragte sie aufgeregt.
    »Schön«, antwortete er lachend, »ich kaufe dir eine Enkelin, Maman – aber du mußt Geduld haben.«
    »… 'abe ich«, beteuerte Madame Rignier, »… 'abe ich«, und bestand auf dem sofortigen Rückflug nach Frankfurt.

V
    Die Maschine landete am späten Nachmittag, Martin, für den stets am Flugplatz ein Wagen stand, fuhr durch verstopfte Straßen in sein Haus am Stadtrand, setzte Maman ab, versprach ihr abermals Petra und vergaß es vorübergehend, als er sich in der City zu seinem Hochhaus durchkämpfte.
    Er ließ sich vom Lift nach oben katapultieren, ging durch die Vorzimmer, als stürme er sie, hastete an seinen Mitarbeitern vorbei; es schien eine wilde geballte Kraft von ihm auszugehen, die sich mit jedem Schritt, mit jeder Berührung des Bodens mehrte: kein Riese der Sage, doch ein Riese der Wirtschaft, und er wollte es bleiben, wollte seine Hausmacht weiterhin nutzen mit den Querverbindungen zu allen Parteien, allen Lagern, mit einem Heer von gekauften Feinden und unsicheren Freunden.
    Sein Vertreter Dr. Schiele war gerade beim Diktat, als Martin das Büro betrat. Der Jurist sah das typische Ritt-Gesicht, das deutlich Freude am Kampf und Spaß am Spiel zeigte.
    »Endlich!« sagte er, bestrebt, sich die Erleichterung nicht anmerken zu lassen.
    Zwischen den beiden Männern fluktuierte noch immer die verdrossene Sympathie, die Außenstehende nicht zu deuten wußten.
    Schiele verstand es, seine Tüchtigkeit hinter seiner Farblosigkeit zu tarnen. Er sprach nie laut, gab selten klare Auskünfte, schien immer unschlüssig zu sein, auf Ritts Weisungen angewiesen. Doch in seinen Schriftsätzen merkte man davon nichts, sie waren knapp, glatt, ebenso kurz wie brillant formuliert.
    »Ängstlich?« fragte Ritt. Er setzte sich in einen Sessel, nahm eine Zigarette, streckte behaglich die langen Beine von sich. »Was Neues?«
    »Einiges«, antwortete sein Hausjurist. »Ich habe gewarnt: Wir haben Verluste mit den Alpha- Aktien, und …«
    »Wieviel?«
    »Weit über dreihunderttausend Mark.«
    »Ganz schön!« erwiderte Ritt. Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Wir werden es überleben, wer ist Teilhaber des Reinfalls?«
    »Wagenknecht«, antwortete Dr. Schiele, »und das wollten Sie doch wohl …«
    »Um dabei selbst so viel Geld zu verlieren?« fragte Ritt. »Ich bitte Sie!«
    Der Jurist berichtete über die Entwicklung an der Börse. Durch eigene Käufe seien die Alpha- Aktien um ein paar Punkte gestiegen, Wagenknecht, der Spekulant, habe sich dann angehängt, wodurch diese Papiere um 24 Punkte weiter nach oben schnellten. Plötzlich, wie verabredet, seien von allen Seiten Alpha- Aktien abgestoßen worden, wodurch die Kurse im Rekordtempo nach unten fielen.
    »Zweihundertsiebzig Punkte an einem Tag«, erklärte Schiele, »aber das war erst der Anfang. Vor dem letzten Einbruch konnte ich die Papiere gerade noch loswerden.«
    »Sicher haben Sie noch weitere Überraschungen für

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