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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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veranstaltet wurde.
    In Martins Mundwinkeln hing ein grimmiges Lächeln; er sah sie vor sich, hörte ihre leiernden Redensarten und verachtete ihre fischblütige Redlichkeit. Als er begonnen hatte, war er von ihnen umworben und als Geldmagier gepriesen worden; nun rechneten sie ihm seine Gewinne nach, bezeichneten ihn als Geschwür der Branche und gebärdeten sich wie Chirurgen, die in das Skalpell verliebt waren: Finanziers, die ihre Patienten mitunter so erbarmungslos dem Konkurs aussetzten wie die Spartaner ihre schwächlichen Kinder im Taygetos.
    Martin wußte selbst, daß er ungerecht war und daß sein Zorn alles verzerrte und vergröberte; aber sie hatten ihn zuerst angegriffen, hatten sich im Rudel auf den Außenseiter gestürzt und hinter seinem Rücken gearbeitet, während sie ihn noch ihrer Freundschaft versicherten, deren er sich rechtzeitig versehen hatte.
    Er mußte am Eingang zur Wasserburg vorbeigefahren sein, hielt den Wagen an, sah auf die Karte, wendete und fuhr zurück. Er kannte das Ausflugshotel, hatte es schon früher besucht.
    Martin suchte, während er vom Wege abzweigte, ein Gesicht, das er nicht fand. Er wußte nur, daß er damals einen Tag länger geblieben war, als er beabsichtigt hatte, um im samtenen dunkelroten Himmelbett des großen Napoleon eine zweite korsische Nacht zu verbringen.
    Wassergräben tauchten auf, die sternförmig zur Burg führten. Er fuhr durch die Allee, deren Bäume den Eingang zwecklos zu bewachen schienen wie Spießruten. Drumbachs Zinnsoldaten, dachte er, und überlegte, ob das Mädchen, mit dem er damals im Pyjama frühstückte, bedient von Kellnern im Frack, Marianne oder Hilde hieß – er wußte es nicht mehr.
    So sehr er sich auch bemühte, ihr Bild zu erfassen, hinter zerfließenden Linien und aufgelösten Konturen sah er eine andere, immer wieder die gleiche – Eva, die keinen Harem der Erinnerungen duldete, mit der er einen schönen Abend verbracht hatte, im Konfirmandenanzug pueriler Zurückhaltung, edel und verträumt, schüchtern und rein. Jetzt ärgerte er sich darüber und freute sich auch ein wenig, denn das war neu für ihn, schuf aber auch ein gewisses Mißtrauen.
    Er polterte über die Zugbrücke, trat das Gaspedal durch, sein Wagen machte einen Satz. Zwei balgende Schwäne fuhren kreischend auseinander, und einen Moment lang sah es aus, als wollten auch die blechernen Benzin ungeheuer auf dem mittelalterlichen Hof auseinanderflüchten.
    Martin stieg aus. Er schaute sich um. Hinter dem Hauptgebäude waren Stoppelfelder, die im Sonnenglast wie geronnene Milch weiß schimmerten.
    »Null ouvert!« rief ein Fahrer aus dem Gesindehaus.
    Der Präsident bereute nicht, Silbermann zu seinem Einpeitscher gemacht zu haben, einen Fachmann, der wußte, wie man Renitente auf Vordermann bringt. Wer Leimruten auslegt, so wischte er die Bedenken gegen den Mann von sich weg, gefällt nie, auch wenn er Raubvögel fängt.
    Drumbach hatte die Teilnehmer richtig eingeschätzt. Er sah ihren Gesichtern an, daß die Mehrheit ihm folgen und einige Zauderer nicht wagen würden, offen für Ritt einzutreten; im Falle echter Opposition würde er Silbermann von der Leine lassen.
    Der Redner kam zum Schluß. Er hatte ruhig gesprochen und besonnen, drängend und lobend, drohend und leise. Er hatte Ritts Gewinne zerpflückt, als werfe er Münzen unter das Volk, hatte dessen Manipulationen bloßgelegt, seine Transaktionen demaskiert, seine Winkelzüge beleuchtet und seine Skrupellosigkeit verdammt.
    »Vergessen Sie nicht, meine Herren«, rief Silbermann, »nie war die Gelegenheit so günstig: Ritt hat seine Verbindungen zu zwei Firmen gelöst; bestimmt wollte er sie gegeneinander ausspielen.« Seine Kiefer mahlten. »Einmal sitzt er in seiner eigenen Falle. Wenn wir uns einig sind, gibt es keine Rotation mehr, nur noch Sauberkeit. Vergessen wir nicht: der graue Kapitalmarkt ist ein Schwarzmarkt!«
    Der Redner streckte den gedrungenen Oberkörper dem Beifall entgegen und wuchs durch den Applaus, als er fortfuhr: ein gemeinsames Vorgehen gegen Ritt sei als legale lautlose Art der Selbsthilfe eine rein technische Maßnahme und komme ohnedies nur einem gesetzlichen Verbot, das der Bundestag gegen unerwünschte Geldgeschäfte zu erlassen beabsichtige, zuvor.
    »Wenn wir schnell handeln«, schleuderte Silbermann in den Saal, »hat Ritt, dieser geborene Querulant, keine Gelegenheit mehr, solide Firmen und alte Namen den Niederungen der Sensationspresse auszusetzen.«
    Er spürte, daß

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