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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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sich stumm.
    »Ich glaube«, wandte sich Drumbach mit einem raschen zynischen Lächeln an die anderen, »ich brauche Herrn Ritt in diesem Kreis nicht erst vorzustellen.«
    Unter Ausnutzung des halblauten Gelächters versuchte Silbermann, der kein Held der Saalschlacht mehr war, sich zu seinem Platz durchzuschlängeln, um am runden Tisch unterzutauchen. Er wollte sich an dem neuen Gast rasch vorbeidrücken und scheiterte.
    »Wohin so flugs?«
    Silbermann schwieg. In seinem erregten Gesicht stand schlagflüssige Purpurfarbe, er preßte die Lippen aufeinander, und sein Mund wurde zu einem weißen Strich in einer roten Wand.
    »Darf ich die Herren miteinander …?« deckte Drumbach den Rückzug seines Werkzeugs.
    »Wir sind alte Bekannte«, sagte Martin. Seine Nasenflügel hoben sich, als röchen sie schlechte Luft, während Silbermann mit verlegener, unschlüssiger Geste die Hand hob und wieder sinken ließ.
    Martin zog die Schultern hoch, sah ihn mit bösen, harten Augen an – und Silbermann ging weiter, ein mißhandelter Hund, seinen Herrn als Deckung nutzend.
    »Eigentlich sind wir eine geschlossene Gesellschaft«, sagte der Präsident, »aber …«
    »Ich weiß – ich habe Ihre Einladung bekommen.«
    »Einladung?« fragte Drumbach.
    »Zu dieser Tagung«, entgegnete Martin, als plaudere er, »wenn auch keine persönliche …«
    Der Präsident verstand ihn nicht, aber er war auf der Hut, sah zerstreut den Kellnern zu, die Eiskübel anschleppten und Gläser brachten.
    »Ich möchte mit Ihnen anstoßen, Herr Präsident«, sagte Ritt, »auf meinen Einstand …«
    »… als?«
    »Bankier«, erwiderte Martin. Das Wort schnitt durch die Luft wie eine Peitschenschnur, vor der sich die Umstehenden zu ducken schienen.
    Martin griff nach seiner Tasche.
    »Ich darf Ihnen mein – Beglaubigungsschreiben überreichen«, er übergab Drumbach einen Notariatsvertrag, »und mich Ihnen als neuer Hauptgesellschafter des Bankhauses Wagenknecht vorstellen.«
    Der Präsident schien zunächst leicht zu schwanken, aber dann stand er fest und schwieg.
    »Gratuliere«, sagte er schließlich und drehte sich langsam, gemessen, um nicht sehen zu müssen, wie die Runde sich an Ritt herandrängte, um mit halblauten, langgedehnten, heuchlerischen, erleichterten, krampfhaften, spontanen, verlogenen, verlegenen Glückwünschen den Sieg des Außenseiters zu feiern – und die eigene Niederlage.

XI
    »Diesen Drumbach habe ich unterschätzt«, sagte Martin zu Eva. Sie saßen auf einer Steinbank neben dem Springbrunnen inmitten Roms, umgeben von dichten Oleanderhecken und blühenden Polyantharosen, die ihre Dornen hinter dunkelroten Blütenkelchen versteckten wie Katzen ihre Krallen. »Wirklich, der Mann zeigte Haltung. Er schaute vor seinen versammelten Hilfsscharen gelassen in den Gewehrlauf der Blamage, und nichts war ihm dabei anzusehen als die Hoffnung auf die nächste Runde.« Martin stand auf, und setzte den Fuß auf die Bank. »Er wird Revanche nehmen.« Er reichte Eva die Hand, zog sie hoch. »Und er soll sie auch haben.«
    Er beugte sich über die junge Frau, sie sah den zärtlichen Schimmer seiner Augen, nur kurz, aber so lange, daß das Blau des Himmels über ihr zusammenschlug.
    Sie gingen weiter und ließen ein Bündel deutscher Zeitungen auf der Bank liegen. Alle berichteten an diesem Tag, wenn auch ohne viel Aufhebens und zumeist im Handelsteil, daß der bekannte Finanzmakler Martin Ritt dem drohenden Bann der Geldinstitute durch den Erwerb einer eigenen Hausbank zuvorgekommen sei.
    Für die Fachwelt zeichnete sich schon der nächste Waffengang ab; die Bank-Feme gegen die Ritt-Fama würde weitergehen. Geldleute in Frankfurt, Hamburg und München erörterten die Zwischenrunde wie Gäste am Ring; die City wurde zur Arena, in der nervös die Spannung summte und brummte, munkelte und tuschelte.
    Auf der Flucht vor den Glückwünschen der Überläufer und auf einem Umweg zu Maman, die in seinem Ferienhaus an der Riviera auf ihn wartete, war Martin vor zwei Stunden in Rom gelandet, in der Stadt, die er liebte, begleitet von der Frau, die er mochte.
    Über den Dächern flimmerte das Licht. Später Sommer verweilte noch ein wenig in der Ewigen Stadt, hing heiter zwischen ihren sieben Hügeln. Die beiden hatten sich absetzen lassen und waren zu Fuß weitergegangen, die Schauer der Geschichte und die Spaghetti des Tages genießend. Sie gingen vorbei an den Standbildern der Cäsaren und der Päpste, die sich, Sockel bei Fuß, längst

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