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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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er die meisten hinter sich hatte. Doch es gab auch Widerstände, da viele Herren Drumbachs Joch nicht weniger fürchteten als Ritts Methoden, weil sie die Treibjagd als unlauter ablehnten, einen Boykott unwürdig fanden, weil sie solide Firmen besaßen und altvertraute Namen führten, und auch, weil sie sich nicht als rächende Knechte einer enttäuschten Frau betätigen wollten – diese Widerstände trieben Silbermann nach vorn.
    Er ging zum Angriff über, nahm die Witterung der Masse auf, stieß gegen Gesichter, die ihn nur anstarrten, eine ganze Reihe, ein ganzer Tisch, ein ganzer Saal voller Gesichter; sein früheres Selbstbewußtsein blähte sich, und zu seiner alten Form auflaufend schoß es gegen den Damm; etwas warnte ihn, doch der Damm barst, die Flut quoll hervor, trübe Wellen, braunes Wasser …
    Seine Fäuste hämmerten auf ein Podium, das ihm vertraut war, auch wenn die Fahne fehlte, und auf einmal vergaß Silbermann seinen lächerlichen Kammgarnanzug, er trug wieder braunen Gabardine, hatte gewichste Stiefel an, nicht diese lächerlichen Halbschuhe. Seine Stimme schwoll, die Adern auf der Stirn traten hervor, seine derben Hände fuhren in die Luft, als zerrissen sie den Gegner: einen Schädling des Volkes …
    »Meine Herren«, donnerte Silbermann, »gehen wir den bequemsten Weg, um diesen schmutzigen Schmarotzer – jawohl, meine Herren, ich scheue mich nicht, das Kind beim Namen zu …«
    Ein Verrückter, dachte Nüsslein, der Generaldirektor, und betrachtete den Redner verwundert, ein alter Narr. Wie muß der Kerl den Ritt hassen, ihm geht es um ganz andere Dinge als um Konkurrenz und Rotation, um Drumbach und Geld – keine Treibjagd, eine Kopfjagd –, widerlicher Kerl, dieser Silbermann, man kennt sie, diese Leute.
    Es gab kein Halten mehr. Silbermann hörte Fanfarenklänge und Trommelwirbel, Paukenschläge und Marschmusik, sah nur noch Gesichter von Fanatikern und Mitläufern und führte sie zum Angriff.
    »Deshalb frage ich sie«, brüllte er, »wollen Sie …?« den totalen Krieg, dachte Nüsslein, verzog den Mund und merkte, daß der Spott nach Galle schmeckte. Ich habe diese Bande noch nie gemocht, schon damals nicht, wenn ich auch mitmachen mußte. Den Ton kenne ich. Er ist mir zu laut; laute Töne sind meistens falsch.
    Er ging die Gesichter der Bankleute durch und sah, daß sich viele mitreißen ließen. Andere hoben den Kopf erschrocken, als sähen sie eine aufgebrochene Wunde, einige starrten auf den Tisch, als schämten sie sich, und dritte warfen ärgerliche, vorwurfsvolle Blicke auf Drumbach.
    Wie kommt der Präsident zu einem solchen Mann? fragte sich Nüsslein. Seit wann benutzt ein Jagdherr für die Pirsch einen ruppigen Bastard?
    »Schluß mit der Firma Ritt!« Silbermanns bellende, heisere hassende Stimme überschlug sich fast: »Schluß mit der Firma Ritt!«
    Präsident Drumbach, der peinlich spürte, daß sein Mann, mitgerissen vom alten Schwung, zu weit gegangen war, wollte eingreifen, kam aber zu spät.
    Silbermann war schon durch das Ziel geschossen, und heftiger, höflicher, ängstlicher, verblüffter Applaus grollte durch den Saal. Doch Drumbach sah: nicht wenige rührten keine Hand.
    Das Geräusch seiner Schritte hatte sich im Beifall verloren, unbemerkt betrat Martin den Konferenzraum. Drumbach, der gerade Silbermann kurz verabschieden wollte und daher Martin den Rücken zuwandte, sah auf einmal in ungläubige, betroffene, erschrockene Gesichter, bemerkte, daß die applaudierenden Hände steif und lahm auf den Tisch sanken, und während er sich umdrehte, trat lastende Stille ein.
    »Guten Tag«, sagte Martin Ritt; nur seine Augen schienen zu lächeln.
    Ein Ruck ging durch den Saal, wie von der Schnur gezogen drehten sich ihm Köpfe zu, die Gesichter warfen ihre Masken ab. Den Mann, der heute erledigt werden sollte, umspülte ein Strom von Verachtung, Ergebenheit, Schadenfreude, Zweifel, Empörung und Verwirrung.
    »Guten Tag, Herr Ritt«, antwortete Drumbach; seine Gesichtshaut spannte sich, die Lider über seinen hellen Augen zogen sich zusammen wie ein Vorhang, den Drumbach sofort wieder hochzog; als er Ritt mit offenem Visier ansah, wirkte die Iris durchsichtig und silbern, Eis in der Sonne.
    »Wirklich eine Überraschung«, sagte er zu dem ungebetenen Gast, und viele, die Drumbach nicht mochten, bewunderten einen Mann, den man mit Recht zur Diplomatenjagd geladen hatte. »Darf ich Sie im Namen der hier versammelten Herren begrüßen!«
    Martin verbeugte

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