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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Rom, weil es bestimmt die weiblichste Stadt der Welt ist. Spürst du nicht auch dieses Fluidum, dieses …?«
    »Gewiß«, antwortete Eva, »aber Frauen sind femininen Reizen gegenüber weniger anfällig als Männer.« Sie lächelte. »Fast werde ich eifersüchtig …«
    Sie schritten durch Gassen und Gossen wie über Wege der Zukunft. Eva schob die Hand unter seinen Arm. Es war eine kleine, gewohnte Bewegung, aber er spürte sie, als habe sich ein Stromkreis geschlossen. Er empfand ihre Nähe wie eine einzige Liebkosung, und was ihm je an einer Frau gefallen hatte: die Stimme der einen, der Mund der anderen, die Augen der dritten und der Verstand der vierten – bei ihr vereinigte es sich zur Summe aller Frauen, die er verehrt und begehrt, verführt und vergessen hatte.
    Der Verkehr brodelte; Autos in Dreierreihe, Karren und Roller schossen vorbei, gelenkt von Fahrern, die Fußgänger zu jagen schienen. Im Vorbeibrausen hoben sie den Kopf, starrten Eva an, einer nach dem anderen wie verabredet, wie geübt, voll schamloser Unschuld.
    »Ein Korso der Kavaliere«, sagte Martin. »Gefallen sie dir?«
    »Südländer gefallen mir immer«, antwortete sie, »ich mag ihre ergebene Frechheit.«
    Sie bogen in die Via Condotti ein und gingen an den Boutiquen der Versuchung vorbei, die mit schönem Schmuck lockten, mit jüngster Mode und altem Silber. Eva schritt, als schwebe sie, erdnah und lässig.
    Sie schien verletzend gleichgültig gegenüber den Schätzen der Straße, die ein Mann wie Martin bescheren konnte. Er verwies sie an Schaufenster. Eva betrachtete sie, pflichtete ihm bei und wandte sich wieder ab, voll sichtbarer Unbegehrlichkeit.
    In der Auslage eines Modegeschäftes hing freischwebend an einer schwarzen Puppe ein apartes Cocktailkleid, umgeben von Gürteln, Taschen, Schuhen und Schals.
    Eva blieb stehen.
    »Hübsch, der Schnitt«, sagte sie.
    »Darf ich es dir – vielleicht …?«
    »Nein, danke«, antwortete sie. »Blau steht mir nicht.«
    Martin merkte ihre Absicht, seinen Gabentisch zu umgehen. Sie hat nicht nur fuchsrote Haare, dachte er, sondern auch einen fuchsigen Witz, der die Fallen meidet. Immer zahlen die Männer für die Liebe, aber meist unter dem Tisch, auf Schleichwegen, ungern direkt; vergeblich versuchen sie, die Zuneigung umsonst zu ernten, weshalb eine kluge Frau einem Mann nie eingestehen wird, daß sie käuflich ist.
    Käuflich sind alle, dachte er, alle Menschen, nicht nur Frauen, es ist bloß eine Frage des Preises und der Verpackung. Martin kämpfte gegen ersten Ärger. Frauen, die sich nicht kaufen lassen, überlegte er, kommen einen immer am teuersten.
    Er stapfte mit langen Schritten weiter. Geld, dachte er, kann man auf die Dauer nur verachten, wenn man zuviel oder zuwenig hat. Er sinnierte über Evas Gelassenheit in diesen Dingen und gestand sich zu, daß er zu wenig von ihr wußte, obwohl er sonst das Leben seiner Umwelt gründlich umgraben ließ und die Schwächen, Verfehlungen, Ängste und Nöte seiner Partner wie Briefmarken sammelte; es war keine harmlose Liebhaberei, sondern gehörte zur Technik der Macht.
    Bei Eva hatte er es sich versagt, ihren Alltag von flinken, fahndenden Händen wenden zu lassen. So geht es einem Kerl von Zweiundvierzig, haderte er mit sich, der sich aufführt wie ein Pennäler und die ersten Tanzschritte übt …
    Ein Verkehrspolizist in weißer Operettenuniform, die eigens dazu geschaffen zu sein schien, seine dunklen Haare und Augen wirken zu lassen, wollte gerade einen Parksünder aufschreiben, erblickte Eva, betrachtete sie andächtig und vergaß seine Pflicht.
    Vor einem mondänen Bijouteriegeschäft, das auf wenigen Quadratmetern Millionenwerte zeigte, stauten sich die Menschen; nach Art der Armen sahen die Passanten über den Zaun in die Gärten der Reichen, griffen zu mit den Blicken und gingen mit leeren Händen weiter. In Bulgaris Schaufenster lagen Smaragde, Hunderte von Edelsteinen, rohe, geschliffene, eckige, ovale, runde – achtlos hingeworfen wie Kupfermünzen von lockerer Hand und doch raffiniert arrangiert, Ringe, Ketten, Ohrklips, Broschen, eine Wiese der Karate, saftgrün in der Sonne funkelnd, verkäuflich, wenn auch unbezahlbar. Es schien, als sehe er gleich hundertmal in Evas Augen, bis er merkte, daß die Juwelen kleiner waren und kälter. »Magst du Smaragde?« fragte er.
    »Ja.«
    »Sie passen gut zu deinen Augen.«
    »Sicher«, antwortete Eva und wandte sich ab.
    Von der Piazza di Spagna her kam der Wind; mit jedem

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