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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Ihr Gesicht war gerötet, ihre Augen glänzten. Sie schwang ein aufgeschlagenes Groschenblatt in der Hand und legte es vor die Mutter auf den Tisch, als werfe sie ihr den Handschuh hin.
    Das Foto, unter dem stand: Schnappschuß in Rom, war halbseitig und zeigte Martin neben Eva.
    »Du hast schon wieder diesen Schund gekauft?« fragte Bettina gelassen.
    »Kennst du diese Frau?«
    »Nein«, antwortete Bettina, ohne das Bild zu betrachten.
    »Nicht unbedingt mein Geschmack«, sagte Drumbach, »aber recht apart.«
    »Finden Sie?« fragte Petra aggressiv und nahm die Zeitung wieder an sich, knüllte sie zusammen und bemerkte erfreut, daß sie dadurch der schönen Unbekannten auf dem Foto zu Gesichtsfalten verholfen hatte.
    »Das Kind ist eifersüchtig auf die Konkubinen seines Vaters«, sagte Bettina zu ihrem Mann. Sie trug Lockenwickel im Haar und Fett im Gesicht und wirkte welk.
    »Und was tun wir?«
    »Du, Bettina«, antwortete der Staatssekretär, »machst Fehler. In Petras Alter ist man sentimental und romantisch. Man verteidigt Angriffe.«
    »Vor allem dann, wenn sie sich wie Märchenprinzen aufspielen.«
    »Falsch«, versetzte Schlemmer, »du hörst es ungern, aber Ritt hat dich hereingelegt. Wir haben heute schon so viel über unsere hübsche Petra gehört, daß ich dir ein paar andere Komplimente sagen darf: sie ist ein berechnendes, abgefeimtes Kind, sie ist intelligent und gerissen, und sie hat sofort erfaßt, daß Ritt sie kaufen wollte …« Er lächelte spöttisch. »Ritt sah sich durchschaut und schaltete um: keine großen Geschenke, kleine – kleiner als wir sie, um mit ihm konkurrieren zu können, gaben –, dazu Trommelfeuer: ein Hasardeur, ein Abenteurer, ein Neureicher, ein Rabenvater, der das eigene Kind als Druckmittel gegen die Mutter ausspielt. Und nun steht er da mit seiner melancholischen Ritt-Grimasse, einer, der den Spott der Welt erträgt, der nichts fürchtet, der nicht in die Niederungen hinabsteigt, der sich lieber noch von seiner geschiedenen Frau Unrat über den Kopf gießen läßt, als unritterlich zu antworten. Der ganze Fehler war, meine Teure, daß dieser Windhund mehr von deinem Kind versteht als seine leibliche Mutter.«
    »Du hast selten recht«, entgegnete Bettina, »aber wenn, dann immer zu spät.«
    »Immerhin früher als du – aber dafür kannst du nichts …«
    »Danke.«
    »Er handelt mit Verstand und du mit Gefühl. Du hattest etwas zu verlieren, er konnte höchstens gewinnen, was er gar nicht kannte.«
    Sie stand auf, warf sich den Morgenrock über, trat an das Fenster und zündete sich im Schlafzimmer eine Zigarette an, was sie sich sonst nicht erlaubte.
    »Vielleicht hättest du nicht Politiker, sondern Pädagoge werden sollen«, entgegnete sie. »Gut – ich habe versagt«, Bettina sprach schnell, hektisch, »aber was kann ich künftig, was kann ich jetzt …«
    Schlemmer betrachtete sie mit einem auslotenden Blick.
    »Ab sofort keine bösen Worte mehr gegen Ritt – überlaß Petra diesem Zeitungsunsinn. Wenn sie dich fragt, klage ihn an durch Verteidigung.«
    »Du gefällst mir heute, Heinrich – ja, ich meine es ohne Spott –, ganz außerordentlich …«
    »Zeit gewinnen«, fuhr er fort, »eines Tages wird er gestürzt, und ein gestürzter Gott ist ein entlarvter Götze. Außerdem hat sich Ritt in das Kind verliebt.«
    »Meinst du?«
    »Ja – er und seine Mutter. Allmählich verstehe ich mich auf sein Verhalten. Wenn du jetzt deine Gefühle zügelst, macht er künftig mehr Fehler …«
    »Gut, Heinrich – aber bitte weniger Theorie –, und nicht so in der Ferne: Was muß jetzt geschehen?«
    »Zunächst muß Petra weg, sofort, um sie wenigstens seinem täglichen Einfluß zu entziehen; Schweizer Internat, neues Ambiente, neue Eindrücke, neuer Umgang … und ein komfortables Töchterheim überbrücken das Gefälle zwischen Schlemmer und Ritt.«
    Der Rat war gut und richtig, und Bettina wollte dankbar sein. Sie streichelte mit der Hand Schlemmers Arm, ihm lächelnd zusagend, was sie so oft verweigerte, aber sie hatte vergessen, daß sie Lockenwickel und eine Crememaske trug.

XIV
    Einen verirrten Sonnentag lang baute der späte Herbst eine Schönwetterbrücke von Spitzbergen bis Sizilien, und die Menschen, die sich schon auf den Winter eingerichtet hatten, ließen ihre Mäntel zu Hause und ergingen sich in den Parks. Die Angestellten sahen verloren durch die Bürofenster, die Alten wurden munter, die Jungen sehnsüchtig.
    In Hamburg zeigten sich

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