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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Drumbach ein und lächelte. »Ich lasse mich auf kein Abenteuer mehr ein – und die Lex Ritt braucht Zeit.«
    »Wir haben sie im Überfluß«, erwiderte Bettina, »zwei, drei Jahre …«
    »Genau genommen«, präzisierte der Präsident, »bis zur nächsten Wahl. Es wird eine Novelle eingebracht …«
    »Ritt wird wie üblich mit seiner Erfahrung dagegen Sturm laufen«, entgegnete Bettina.
    »Was dem Ausschußvorsitzenden Umlauf die Gelegenheit gibt, Geheimsitzungen einzuberufen …«
    »… deren Ergebnis«, meinte Bettina lächelnd, »wir wohl in Ruhe abwarten können.«
    »Ich bewundere Sie, gnädige Frau«, sagte Drumbach und betrachtete sie. Sein Blick glitt von ihrem Nacken über die schmalen Schultern, faßte sie um die Taille und schwenkte nach unten. Er sah schöne übereinandergeschlagene Beine, wie sie in der Werbung verwendet werden, schlank und überlang, und Drumbach, der sich vorwiegend an die Standardtypen des Sex-Appeals gehalten hatte, spürte, wie ungleich reizvoller es sein müßte, einmal eine Frau mit Verstand ins Bett zu nehmen.
    Bettina erfaßte es und sah ihn an. Drumbach winkte den Kellner herbei.
    »Für mich bitte nichts«, wehrte Schlemmer ab.
    »Bestellen Sie mir … vielleicht einen Pernod«, bat Bettina.
    »Und einen Whisky«, sagte der Präsident, genarrt von seinen Impressionen, »ohne Wasser, ohne Eis.«
    Einige Abgeordnete drängten herein. Sie sahen sich um, grüßten den Staatssekretär so gleichzeitig, als hätten sie es einstudiert, und gingen dann, da alle Stühle besetzt waren, an die Bar. Schlemmer sah ihnen nach; er wirkte unschlüssig.
    »Der dritte von links ist Doktor Umlauf«, erklärte er Drumbach.
    Der Präsident nickte, ohne sich den eben ernannten Ausschußvorsitzenden anzusehen, den er dem Namen nach kannte.
    »Ein mittlerer Mann von makelloser Integrität«, erläuterte Schlemmer.
    »Solche Leute bringen es weit«, antwortete der Präsident zerstreut und lächelte Bettina zu.
    »Entschuldigen Sie mich bitte«, murmelte der Staatssekretär und stand auf, um die Abgeordneten an der Bar zu begrüßen.
    »Lieben Sie Bonn?« fragte Drumbach.
    »Kann man eine Stadt lieben?« antwortete Bettina.
    »Halten Sie Bonn für eine Stadt?«
    »Für einen Zufall!«
    »… oder für mehrere«, erwiderte Drumbach. »Im Norden dieser Hauptstadt liegt das Revier, von dem die rheinische Republik lebt, im Süden – jenseits der Berge die Region, aus der sie die Weltanschauung bezieht«, er lächelte süffisant, »aus dem Westen kamen die ledigen Väter dieses Provisoriums, und im Osten liegt die Front, deren Auswirkung Bonn ist.«
    »Wenn Sie nicht der Bankier Drumbach wären, würde ich Sie für einen Linksintellektuellen halten«, antwortete Bettina.
    Sie lachten und sahen zu den Abgeordneten an der Bar, die dem Staatssekretär einen Drink aufnötigten. Schlemmer, der sich nach seiner Frau umdrehte, begegnete Drumbachs Augen und zog den Kopf behend zwischen die Schultern, als habe man ihn beim Lauschen ertappt.
    Bettina spürte, wie Drumbachs Verhalten das Korsett der Konvention zu sprengen drohte. Sie genoß, daß er sie begehrte. Seine Erregung übertrug sich auf sie, breitete sich aus, überzog den Körper mit wohligem Schauer.
    Sie betrachtete den Mann, der in drei Dutzend Aufsichtsräten an den Hebeln der Macht stand, ihr Blick ertastete seinen straffen Körper unter dem klassischen Marengoanzug, dem modischer Schnitt die Steifheit nahm.
    Drumbach bestellte den zweiten Whisky. Bettina wußte, daß der Präsident im geheimen handfeste üppige Typen bevorzugte, und goutierte ihre Stärke, über diese Schwäche triumphieren zu können. Seit langem hatte Verstand ihren Trieb beherrscht, und auf einmal spürte sie, welchen Preis ihr Körper dafür bezahlte.
    »Fahren Sie heute schon?« fragte der Präsident.
    »Leider«, erwiderte Bettina.
    »Schade.«
    »Man sieht sich wieder«, entgegnete sie.
    »Aber nie allein.«
    »Das macht den Reiz.«
    »Manchmal sollte man sich von diesem Reiz verführen lassen«, sagte Drumbach und berührte wie versehentlich Bettinas Hand. »Was halten Sie davon?«
    »Einiges.«
    »Wann?« fragte der Präsident.
    »Erwarten Sie darauf eine Antwort?« erwiderte sie, lehnte sich zurück, kostete erneut die Erregung, bot sich an und zog sich wieder zurück, ermunterte und dämpfte, während Drumbach erfaßte, daß er Bettina haben konnte, an jedem Ort, zu jeder Zeit, so er ein Honorar dafür zahlte: den Untergang des Martin Ritt.
    Petra kam zurück.

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