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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Weile nur, und dann langsam …« Sein Blick tastete sich vorsichtig zu Eva. Sie begriff, daß Martin ein schlechtes Gefühl hatte, denn er benahm sich wie ein Liebhaber, der nach der ersten Nacht seiner Freundin erklärt, daß er verheiratet sei. Noch belustigte es Eva, und so entschloß sie sich, es ihm leicht zu machen.
    »Verstehst du? Du mußt nur etwas Geduld haben …«
    »Geduld ist meine Lieblingstugend.«
    »… und ein bißchen vernünftig sein.«
    »Vernunft ist meine Stärke«, sagte Eva und wunderte sich, daß er ihre Ironie für Ernst nahm. »Meinst du, ich breche in deinen Alltag ein? Nein, mein Lieber. Ich werde mich heraushalten.«
    »Nicht ganz.«
    »Gut«, sie lächelte heiter, »wir wollen doch gleich die Spielregeln festhalten: du bestimmst den Umfang meines Anteils, und ich …« Als sie sah, daß ihn die Worte bekümmerten, glänzte auf ihrer Iris die Freude. »Ich bemesse deinen Anteil an meinem Lebenskreis.«
    »Schluß, Hexe!« schimpfte er. »Keinen Anteil. Alles oder nichts! Hörst du? Das ist unsere Spielregel, und sie beginnt mit dem Wissen«, setzte er rasch hinzu, faßte sie derb am Arm. »Du bist dreißig?« fragte er unvermittelt.
    »Neunundzwanzig«, entgegnete sie.
    »Geschieden?«
    »Verwitwet«, antwortete sie. Eva sah, daß Martin überrascht war, und erfaßte, daß ihre Vergangenheit von ihm oder seinen Helfern nicht durchforscht worden war. »Du hast vorhin gesagt: die Stunde der Geständnisse.« Sie sah in den Spiegel und zog ihre Lippen nach. »Ich hatte einen englischen Testpiloten geheiratet, er ist abgestürzt bei der Erprobung einer neuen Düsenmaschine.«
    »Wann?« fragte Martin.
    »Vor Jahren schon.«
    »Und?«
    »Nichts und«, fuhr Eva fort. »Es war ein Schock. Ich habe ihn überwunden. Du weißt ja, wie die Zeit alles nivelliert, und so habe ich mich wieder an das Leben gewöhnt, so gut, daß es mir gefällt. Ich bin also eine junge Witwe, weder arm noch reich, gerade so in der Mitte, wie es wohl nötig ist, um gut zu schlafen und sorglos zu leben.«
    »Und bescheiden.«
    »Warum nicht?«
    »Geld ist gewiß widerwärtig«, entgegnete Martin, »aber um nicht den Reichen dienen zu müssen, gibt es nur ein Mittel: selbst reich zu werden. Das ist nicht ein hohes Bankkonto oder eine Gegenrechnung in Autos, Flugzeugen, Schmuck und Villen, sondern die Unabhängigkeit. Außerdem«, dozierte er weiter, »brauchst du Geld, weil du im Leben schließlich alles bezahlen mußt.«
    »Alles?« fragte Eva.
    »Nein, nicht alles«, erwiderte Martin.
    »Ich freue mich, daß du Fortschritte machst.«
    Er holte Liegestühle, und sie genoß die umständliche Fürsorge, mit der er ihr den Platz richtete, eine Decke ausbreitete, obwohl die Sonne sie überflüssig machte. Sie stellte erneut fest, daß die harten Linien seines Gesichts sich gemildert hatten, daß er jünger aussah und daß er auf einmal Mut hatte, Gefühle nicht nur zu haben, sondern auch zu zeigen.
    Eva nahm sich vor, ihn nie ganz wissen zu lassen, was er ihr bedeutete, ihn solange zu halten, wie es gehen würde, und nicht zu fragen, was hinterher geschähe.
    In dieser Minute kehrte in Frankfurt der Kellner an seine Bar zurück, sah das kranke Gesicht des angetrunkenen Gastes. Unwillkürlich trat er vorsichtiger auf und fragte:
    »Fehlt Ihnen etwas, Sir?«
    »Whisky«, antwortete Felix, nahm dem Barmann die Flasche aus der Hand, schenkte sich hastig nach und versuchte, das Chaos in seinem Kopf zu ordnen.
    Erpressung, dachte er; Grundregel des Lebens: man geht zur Polizei. Zu welcher Polizei? Der zuständigen, der deutschen! Wer repräsentiert diese Polizei? Vermutlicher ein tüchtiger Fachbeamter, womöglich aber auch ein Menschenjäger von gestern. Tüchtig oder belastet, jedenfalls ein Mitwisser. Polizei: Fehlanzeige.
    Ein Anwalt? Obwohl die kleine Hotelbar zu einem Karussell wurde, das sich immer schneller, immer rasender zu drehen begann, erkannte Felix noch, daß Silbermanns Anschlag nicht ihm, sondern Martin galt. Feinde des Freundes brauchten einen Skandal zur Einleitung des Rufmords. Durch die Nebel des Alkohols sagte sich der Mann aus New York, daß er Martins Rückkehr abwarten, den Freund warnen, den dummen Schnaps meiden und Susanne verteidigen müsse.
    Felix zahlte und erfaßte noch, wie erleichtert der Barmann war, seinen einsamen Gast loszuwerden. Er setzte seine Füße behutsam auf den Boden und schob sich vorwärts, als liefe er Probe. Er merkte, daß er schwankte, und ging langsam, gewaltsam aufrecht,

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