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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Vorbereitungen der Übersiedlung. Er brachte sie nach drüben, wo sie ein neues Heim fand, bezog und sich halbwegs einlebte.
    Martin sah erstaunt, wie sehr Susanne, von der matriarchalischen Dynamik Amerikas erfaßt, in ihren Jungen aufging. Er sprach mit ihr nie über Felix, und die junge Frau fragte so wenig nach den Umständen, die zum Tod ihres Mannes geführt hatten, wie sie sich nicht den Vorwurf machte, daß sie Felix nicht gleich nach Deutschland mitgenommen und dadurch seine Inkognito-Inszenierung verhindert hatte. Niemand, so wußte sie, hätte voraussehen können, daß dieses Versteckspiel zu einem tödlichen Verhängnis werden würde.
    Martin hingegen hatte, als er auf den Namen Silbermann gestoßen war, intuitiv die Hintergründe dieses Dramas von Blut, Schnaps und Haß erkannt. Zudem hatte ihn Guido Brenner aufgesucht und über sein Zusammentreffen mit Felix Lessing berichtet. Martin hätte den Jungen gern bei anderer Gelegenheit wiedergetroffen, aber er verübelte ihm den Anlaß nicht. Guidos stumme Bitte, sich künftig in Martins Nähe aufhalten zu dürfen, war von dem Finanzmakler richtig gedeutet worden und hatte ihm den Einfall eingegeben, den Jungen als Partisan zur Aktionärsversammlung nach Köln zu entsenden – und sei es auch nur, um seinen Widersachern zu zeigen, daß mit ihm noch zu rechnen war.
    Der gemeinsame Verlust hatte Susanne und Martin gelehrt, sich wortlos zu verstehen. Er hätte Susanne nun sich und ihren Kindern überlassen können, aber seine geschäftlichen Verhandlungen stagnierten gerade in dem Moment, da es für ihn nicht mehr um spielerische Einsätze, sondern um die Existenz seines Unternehmens ging. Er wußte, daß er nach der Verabschiedung einer Lex Ritt – die er vielleicht verzögern, aber sicher nicht verhindern konnte – binnen weniger Monate Versicherungsgelder zurückzahlen mußte, die er auf Jahre an die Industrie weiterverliehen hatte. Wenn es ihm nicht gelänge, von dritter Seite – zum Beispiel der Wallstreet-Gruppe, mit der er verhandelte – Reserven zu erhalten, drohte der Einsturz seines Imperiums, in das er auch sein eigenes Vermögen eingebracht hatte.
    »Bleiben wir noch lange«, fragte Madame Rignier, »in dieser srecklichen Stadt?«
    »Noch ein bißchen Geduld, Maman.«
    »Wieviel Geduld, mon petit filou?«
    »Ich kann nicht genau …«
    »Wieviele Tage?« drängte sie.
    Martin sah, daß Maman New York nicht bekam, aber er konnte ihr keine Antwort geben. Man kannte und schätzte ihn bei seinen US-Partnern, doch sie holten noch Auskünfte aus Deutschland ein, stießen auf Gegenminen, zögerten, kamen mit dem Vorschlag, die Rotation ganz zu übernehmen und Martin als Gegenleistung mit dem Präsidentenposten eines neuzugründenden US-Konzerns in Europa schadlos zu halten.
    Er lehnte ab, rechnete immer mit einer Chance, Dollars als Auffanggelder zu bekommen, und versuchte, Maman mit der Lockung einiger Erholungstage am Karibischen Meer, wo sie ihre Verwandten besuchen könne, weiter in New York zu halten.
    Doch Madame Rignier schien unglücklich und ungeduldig. Martin wußte, wie sehr ihr Petra fehlte, aber er spürte auch dieses ungreifbare schleichende Unbehagen, das ihn befiel, wenn er an Mamans Gesundheit dachte, obwohl es ihn beruhigte, daß der Arzt seine Fragen als grundlose Sorge um eine gesunde Patientin abtat. Als Madame Rignier jetzt nach Frankfurt zurück wollte und Martin penetrant bestürmte, mußte er sie allein vorausfliegen lassen – zu Petra, doch auch zu Professor Sturm, dem bekannten Arzt.
    Von nun ab hatte auch er es eilig, New York hinter sich zu bringen. Als eine Woche nach Mamans Abflug die Wallstreet-Zusage noch immer ausstand, brach er in seiner typischen Art abrupt und überstürzt die Verhandlungen ab, entschlossen, bevor sein New Yorker Versuch durch eine Indiskretion ruchbar wurde, bei befreundeten Londoner Firmen vorzufühlen.
    Jetzt erst erfaßte Martin, wie sehr er auf die Rückkehr nach Europa brannte, um wieder Einzug in die Arena seiner Kämpfe zu halten, seiner Listen und Tücken, Querelen und Siege: ein umstellter Außenseiter, ein zärtlicher Sohn, ein bewunderter Vater und ein vermißter Liebhaber; auch ein vermissender, dachte Martin, rief Eva an und bat sie nach London.
    In Köln hatten sich die Rebellen auf die Gänge, die Manager hinter verschlossene Türen zurückgezogen. Drumbach wurde ob des Zwischenfalls vielstimmig bedauert und einstimmig beschworen, es den Rüpeln auch weiterhin zu zeigen, und

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