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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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»Wenn man schon sündigt«, erläuterte er, »dann soll man es gründlich tun. Lässige Sünden sind dumme Sünden. Doch kommen wir zur Sache, Drumbach – sprechen wir über Köln.« Der Jurist hob das Glas, roch am Bouquet, genoß die Farbe, kostete einen ersten Schluck, drehte die Flasche um, las zufrieden das Etikett. »Ich kann Ihnen offen sagen, daß dieses Revoluzzergeschrei auf der Hauptversammlung nicht nach meinem Geschmack …«
    »Lassen wir das«, wehrte der Präsident ab, während er sich Sellerie und Kopfsalat nachreichen ließ. »Wenn es etwas geben sollte, das ich Herrn Ritt nicht verüble, so ist es diese Sache.« Er wischte sich sorgfältig den Mund ab. »Wir leben nun einmal in einem plebejischen Zeitalter. Ritt ist sein Auswuchs, nicht sein Urheber.«
    Schiele sah, wie gewaltsam Drumbach seinen Zorn unterdrückte, und, vertraut mit gestautem Grimm, genoß er ihn wie den verbotenen Rotspon.
    »Aber lassen wir diese Präliminarien. Sprechen wir von Tagesgeldern«, fuhr Drumbach fort.
    »Warum?«
    »Es wurde mir nahegelegt«, antwortete der Präsident.
    »Nicht Ihnen, sondern dem ABC-Konzern. Sie haben ein ganzes Jahr Zeit …«
    Drumbach lehnte sich zurück und betrachtete Schiele wie ein leutseliger Monarch, der seinen Hofnarren gewähren läßt.
    »… um dann über den Fehlschlag der Verhandlungen zu berichten.«
    Der Ober goß nach, Schiele hielt das Glas in der Hand. »Falls es überhaupt noch nötig sein sollte.«
    »Sie Pessimist!« warf Drumbach ein.
    »Wir haben uns gesprochen«, sprach der Bevollmächtigte weiter, »Sie werden eine Aktennotiz darüber machen. Wir verabreden uns zu einem weiteren Termin, lassen ihn einschlafen und treffen uns später noch einmal. Inzwischen tritt in Bonn die Lex Ritt in Kraft, und Sie werden im nächsten Jahr Ihren Kleinaktionären erklären, daß leider durch Bundesgesetz mittlerweile Rotations- Geschäfte verboten seien, so daß …«
    »Ich habe mich immer darüber gewundert«, unterbrach ihn der Präsident, »wie ein Mann wie Sie, ein so tüchtiger Spezialist, ein so blendender Jurist und, wie ich sehe, ein gar nicht so unbegabter Hellseher, an diesen Ritt geraten konnte.«
    »Zufall, Drumbach.«
    »Gewährt Ihnen der Mann etwas, was Ihnen andere nicht bieten könnten?«
    »Welche anderen?« fragte Schiele mit träger Stimme.
    »Zum Beispiel der ABC-Konzern«, entgegnete der Präsident und nannte weitere Gesellschaften, Banken und Industriekonzerne, die er kontrollierte.
    »Wollen Sie mich abwerben?« fragte Schiele.
    »Wird es noch nötig sein?«
    »Soll ich das beantworten?«
    »Schiele«, sagte Drumbach, »ich hoffe sehr, daß Ihnen das Essen schmeckt und der Wein Ihrer Galle bekommt. Wir haben eine angenehme Plauderstunde, zwei alte Bekannte ganz unter sich. Den Leuten, die uns kennen, haben wir einen Gratisgang beschert. Sehen Sie nur, wie sie die Hälse recken. Der offizielle Teil unseres Gespräches ist hiermit beendet, bevor er begann. Und da wir uns in diesem Punkt blendend verstehen«, er lächelte, »werden wir auch nicht zusammenkommen.«
    »Einverstanden«, antwortete Ritts Bevollmächtigter.
    »Und jetzt spreche ich als langjähriger Bekannter zu Ihnen und als Mann, der Ihre Qualitäten kennt. Ich will Ihnen nichts bieten. Sie wissen ohnedies, was Sie haben können – nicht nur bei Ritt oder bei mir –, sondern ich frage Sie ganz einfach aus simpler Neugier: Wie stellen Sie sich ihre Zukunft vor?«
    »Eigentlich gar nicht«, antwortete der Jurist. »Ich lasse sie auf mich zukommen.«
    »Bei einem Mann Ihres Formats wundert mich das.« Er betrachtete seinen Gast aufmerksam, ohne sich über seine Meinung schlüssig zu werden. »In ein paar Monaten dürfte das Problem Ritt gelöst sein. Dieser Mann wird klein werden, winzig. Verstehen Sie? Künftig wird Ritt die City als Liliputaner erheitern, als Inhaber einer kleinen Privatbank, die – das glauben Sie mir doch – hart um ihre Existenz kämpfen muß. Und Sie, Schiele, zu allem möglichen berufen, wollen als kleiner Prokurist eines gestürzten Mannes, der sich noch dazu die Bank mit Wagenknecht teilen muß …?«
    »Ich bin gerade dabei, Wagenknecht ganz abzufinden«, unterbrach ihn Schiele, »übrigens großzügig.«
    »Glaube ich gern«, versetzte der Präsident. »Das gehört so zu seinen raubritterlichen Allüren …«
    »Drumbach«, sagte Schiele lachend, »Sie sprechen von meinem Auftraggeber.«
    »Werden Sie nicht witzig«, versetzte der Präsident, musterte den alten

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