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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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noch im Savoy noch im Dorchester noch im Lancaster House aufgeschlagen …«
    »Sondern?«
    »Wir wohnen bei Freunden. Privat und persönlich. Hübsche Dachwohnung in der Nähe des Hyde Parks. Sie ist Irin, John dagegen Schotte, übrigens keineswegs geizig …«
    »Dann leben wir also in Saus und Braus«, erwiderte Martin.
    »Außerdem ist Harriet Präsidentin eines Bundes für die Zucht vierfarbiger Katzen und ißt keinen Honig, um den lovely, little beasts nicht die Nahrung wegzunehmen; dafür mußt du dich daran gewöhnen, daß ihre Katzen gelegentlich von deinem Teller …«
    »Der Mann ist wohl Quäker?«
    »Falsch, Darling, John komponiert. Er ist noch nicht sehr bekannt, doch aufstrebend, wenn auch als Zwölftöner …«
    »Hoffentlich ist ein Klavier im Hause«, brummte Martin.
    »Außerdem eine Violine, eine Blockflöte, vom Schlagzeug nicht zu reden. Schalldichte Wände übrigens – und du wirst zuhören, maßvoll beifällig. Du wirst friedlich sein und dich ordentlich betragen, ein Mann, mit dem man sich sehen lassen kann, sogar bei englischen Freunden. Du wirst weder über amerikanische Rassenprobleme noch über deutsche Innenpolitik reden, beim Treppensteigen vorausgehen und nicht nach meinen Beinen haschen. Du wirst mich nur küssen, wenn wir allein sind. Du wirst auftreten wie ein Mann, der gerade so viel Geld hat, um seine Freundin einmal im Monat in das Talk of the Town einzuladen. Verstanden?«
    »Jawohl, Hexe«, erwiderte Martin, der sich seine Neigung, lieber in ein unpersönliches Hotel zu ziehen, nicht anmerken ließ; bereit, Eva diesen und jeden weiteren Gefallen zu erweisen. »Hier bin ich also zur Stelle: süchtig und brav, hörig und wild.« Martin lächelte zufrieden. »Vor allem wild.«
    »Das wird sich geben«, antwortete sie, »und bis dahin wirst du dich beherrschen.«
    »Als was werde ich denn bei deinen Freunden eingeführt?«
    »Vielleicht als Vetter – oder als Onkel …«
    »Was sollen die Leute denken, wenn sich der Onkel an der Nichte vergreift?«
    »Vielleicht schlägt ihm die Nichte rechtzeitig auf die Finger«, erwiderte sie.
    Sie kamen zum Haus. Martin zeigte eine ergebene Miene, betrachtete skeptisch den Lift und stellte das entschlossene Gebaren eines Mannes zur Schau, der von seinem Gastland bereits viel gelernt hat. Eva sperrte die Wohnungstür auf und fand einen Zettel vor, auf dem John und Harriet mitteilten, daß sie bis auf weiteres unter Hinterlassung der Katzen, um deren Ernährung sie bäten, in ein Hotel gezogen seien.
    »Deine Freunde sind auch meine Freunde!« rief Martin in plötzlichem Enthusiasmus. »Nein, wirklich, welch prächtige Idee! Wenn ich mir vorstelle, daß der Zwölftöner jetzt in meinem Stahlrohrbett liegt und morgen an meinem Frühstückstisch sitzt, gesalzenen Speck und gebratene Heringe genießt …« Ausgelassen setzte er hinzu: »Ich muß diese herrlichen Menschen kennenlernen – und sei es bei der Abreise!«
    »Verstehst du etwas von Katzenhaltung?«
    »Meine Lieblingstiere! Ab heute werde ich sie in mein Herz schließen, füttern, bis sie rund werden. Sie sollen von meinem Tisch essen und in meinem …«
    Eva wollte sich umziehen, aber Martin duldete es nicht, unter Hinweis darauf, daß ihm das lila Tailleur so gut gefalle. »Weißt du«, sagte er, »es ist wie du, es paßt sich jeder Stimmung an und …«
    »Ist das ein Kompliment?« fragte sie.
    »Natürlich …«
    »Für ein Kleid?«
    »… und für die Frau, die es trägt.«
    Sie verbrachten die ersten Stunden ohne ein ernstes Wort, durchstreiften die Stadt und sahen nur sich; selbst als Martin bei Sotheby, als Stammkunde empfangen, auf Schatzsuche ging, kümmerte er sich mehr um Eva als um alte Gobelins.
    Sie gingen in die Wohnung zurück und warteten auf den Abend, die Stunde der Dämmerung, die das Licht dämpfte und den Raum mit Intimität füllte. Martin, der am Mittag noch gern die Enge einer Wohnung mit der Weiträumigkeit eines Hotels vertauscht hätte, fragte Eva, ob es nötig sei, noch einmal auszugehen, und schlug, als sie verneinte, vor, von Kettner's das Abendbrot schicken zu lassen.
    »Nicht nötig«, antwortete Eva. »Du kümmerst dich«, sie wies auf einen Schrank, »um die Getränke und läßt dich nicht in der Küche blicken. Anschließend versorgst du die Katzen, dann machst du Feuer im Kamin und fühlst dich wie ein Pantoffelheld …«
    Überraschend schnell kam Eva mit den Horsd'oeuvres zurück, und sie soupierten mit Genuß im Séparée der

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