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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Kollegen scharf, als sehe er durch ihn hindurch, und bemerkte, wie am Nebentisch eine Dame im Winterkostüm mit Zobelkappe Platz nahm, die einen langen Hals, knabenhafte Schultern und eine schmale Taille hatte. Er glaubte, Bettina Schlemmer zu erkennen, wurde von exzessiven Visionen übermannt, stellte aber fest, daß er sich geirrt hatte, und ließ sich weiter verwirren – zur Verwunderung Schieles, der nicht zu deuten wußte, wieso ein Abstinenzler dazu kam, sich einen doppelten Whisky zu bestellen, ohne Soda, ohne Eis.
    Eva merkte, daß Martin bei seinen Londoner Verhandlungen nicht weiterkam, was weder seinen frischen Elan bremste noch seine gute Laune verdüstern konnte.
    »Geht es nicht nach Wunsch?« fragte sie Martin.
    »Nicht nach Zeit«, antwortete er. »Ich komme voran, aber zu langsam.«
    »Um was geht es eigentlich?«
    »Um Geld«, erwiderte Martin schlicht, »um hübsche Beträge, um viel mehr, als du mir leihen könntest.«
    »Unterschätze mich nicht – um wieviel geht es?«
    »Um Millionen.«
    »So arm bist du?«
    »Fraglos droht mir bald, noch ärmer zu werden. In Frankfurt ist man gerade wieder einmal dabei, mich aus der City hinauszuwerfen.«
    »Ernsthaft?«
    »Ein anderer würde verzweifeln«, erwiderte Martin mit breitem Lächeln. »Du mußt dir das wie einen Boxkampf vorstellen: bisher führe ich nach Punkten, deshalb will mein Gegner einen Knockout erreichen.«
    »Für einen Mann«, entgegnete Eva, »der morgen zu Boden geht, bist du noch recht munter.«
    »Alles Schein, Hexe«, erwiderte er. »Fall du nicht auch noch auf meinen Bluff herein. Mir ist gar nicht wohl in meiner Haut – und wenn nicht ein Mirakel geschieht …«
    »… das du gleich aus dem Zylinder flattern läßt wie ein Taschenspieler …«
    »Leider nein, Eva. Unter uns gesagt, diesmal muß ich auf meinen Stern vertrauen.« Er spielte nun den kleinen bekümmerten Jungen. »Aber Geld wäre mir lieber.«
    Es war nicht ungewöhnlich, daß sich die Gespräche mit den Engländern, die als Finanziers in Frage kamen, in die Länge zogen, aber da langwierige Verhandlungen leicht ruchbar werden konnten, wurde Martin ungeduldig. Eva erkannte es und richtete sich auf einen vorzeitigen Abbruch traumschöner Tage in einer durch Wetterunbill unwirtlichen Stadt ein.
    Der Hilferuf, der ein paar Tage später aus Frankfurt kam, wurde von privater Seite ausgelöst, aber Martin folgte ihm unverzüglich, obwohl der Heimflug seine geschäftlichen Aussichten minderte.
    Sie erhielten in der Nachmittagsmaschine noch zwei Plätze, flogen über Düsseldorf zurück und landeten am frühen Abend. Martin brachte Eva in ihre Wohnung und fuhr dann zu seinem Haus weiter, wo ihn seine Mutter aufgeregt erwartete.
    Madame Rignier hatte schon am Telefon mitgeteilt, daß Petra bei ihr erschienen sei – wie es schien, verändert – und offensichtlich unter Zwang mitgeteilt habe, daß sie sofort in ein Schweizer Internat übersiedeln würde.
    »Isch aben auf sie eingeredet«, sagte Maman. »Isch aben Petra beschworen, gebittet, wenigstens zu warten, bis du in Frankfurt bist, aber sie war ganz anders als immer sonst …«
    »Beruhige dich Maman«, versuchte sie Martin zu beschwichtigen. »Natürlich werde ich etwas unternehmen. Aber es ist alles nicht so schlimm …«
    »Nicht schlimm? Wie kannst du sagen so etwas? Isch verstehe dich überhaupt nicht.«
    »Wir haben in St. Moritz ein Chalet, Maman …«
    »Aber es ist so weit.«
    »Ein paar Kilometer davon entfernt liegt der Flugplatz Samedan.«
    »Aber wenn ist das Wetter schlecht?«
    »… haben wir eine Blindflugeinrichtung.«
    »Aber du 'ast nie Zeit …«
    »Ich fliege mit dir hin, so oft du willst.«
    »Aber Petra ist eingesperrt – in diese Internat.«
    »Ich hole sie dir heraus. Viel wichtiger ist«, setzte er hinzu, »daß es dir gutgeht.«
    Madame Rignier hatte sich sorgfältig zurechtgemacht. Im begrenzten Schein des künstlichen Lichts sah sie gesund und frisch aus, wenn auch ihr lebhaftes Benehmen auf ein stimulierendes Medikament zurückzuführen war.
    »Was sagt unser Hausarzt?« fragte Martin.
    »Der Professor ist zufrieden.«
    »Dann bin ich es auch«, antwortete er lachend. »Es tut mir leid, Maman«, setzte er entschuldigend hinzu, »daß Dr. Schiele gleich kommen wird, aber es muß … –«
    »Schon gut, mon petit filou«, entgegnete sie. »Hauptsache, du vergißt nicht unsere Petra.«
    Eine Viertelstunde der Höflichkeit blieb Maman noch, als der Gast erschienen war; dann

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