Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
mit neuen Skiern ausgerüstet und – was sie am meisten beeindruckte – von den Verkäuferinnen mit Mademoiselle tituliert. Sie erwarben in einem Blumenladen noch einen Riesenstrauß Rosen und fuhren auf Martins Chalet zu.
    »Links jetzt«, sagte Petra.
    »Du weißt den Weg?«
    »Ich kenne dein Haus längst«, antwortete sie, »wenn auch nur von außen.«
    Die Begrüßung zwischen Madame und ihrer problematischen Enkelin nahm für Martin kein Ende, und so ging er zur Hausbar; sie war holzgetäfelt wie das ganze Chalet, das jetzt nicht nur recht bewohnbar, sondern auch sehr belebt wirkte, von Freude, Glück und Lautstärke, von falschem Deutsch und belustigendem Französisch.
    Martin merkte, daß Petra, von Maman geführt, dazu überging, das Haus zu besichtigen; er nützte die Zeit, um den Arzt aufzusuchen, den ihm Professor Sturm genannt hatte; der Mediziner war im Bilde und versprach, regelmäßig nach Madame Rignier zu sehen.
    Als Martin zurückkehrte, stellte er fest, daß erneut Aufregung in sein Haus gekommen war: das Sportgeschäft hatte die Ausrüstung geliefert, und Petra drängte, sie zu erproben. Zuerst wollte Madame sie abhalten, dann begleiten, aber Martin hielt sie zurück, weil es gleich dunkel würde.
    Er stellte befriedigt fest, wie wohl sich Maman fühlte und um wieviel munterer sie war als in Frankfurt. »Du kennst unsere Abmachung?« sagte er, scherzhaft drohend.
    »Nicht Abmachung, filou – du misch 'ast erpresst.«
    »Egal«, erwiderte Martin. »Ich habe dein Wort, daß wir dich bei Professor Vernier in Zürich anmelden.«
    »Ja, schon – mais pas aujourd' hui.«
    »Aber du gehst?«
    »Wenn es sein muß«, erwiderte sie seufzend, »mais tues vraiment fou, mon pauvre petit.«
    Der Arzt kam schon am frühen Morgen zur Visite und verließ das Chalet mit der Bemerkung, er sei mit der Patientin zufrieden, und da auch das Wetter wußte, was es dem Winterparadies schuldete, stand eine prächtige Sonne an einem wolkenlosen Himmel.
    Martin richtete zwei Liegestühle auf dem Balkon, entschlossen, bei Maman zu bleiben, weshalb sich auch Petra mit dem Anfängerhügel in der Nähe bescheiden wollte. Madame Rignier merkte, daß Rücksicht auf sie genommen werden sollte, und versteifte sich darauf, den Tag zu dritt auf der Corviglia zuzubringen. Es kam zu einer der dreistimmigen Diskussionen, die sich hinterher immer als überflüssig erwiesen, da man letztlich einer Meinung war, zumal Martin einfiel, daß man auch mit dem Hubschrauber auf den Skiberg gelangen könne.
    Sie flogen mit dem Helikopter nach oben, den Madame Rignier, die zärtliche Despotin, ergeben bestiegen hatte. An der Hauswand der Bergstation suchten sie einen windgeschützten Platz, hüllten Maman in Decken und wurden von ihr fortgeschickt.
    »Die Metallskier sind wirklich nicht schlecht, vor allem auf weichem Schnee«, erklärte Petra, als sie nebeneinander im Schlepplift nach oben gezogen wurden. »Wo hast du Skilaufen gelernt?«
    »In Russland«, antwortete er sarkastisch.
    »Kannst du's gut?«
    »Mittelmäßig.« Er lächelte ergeben. »Aber Lass mich noch mitkommen.«
    Sie stiegen aus; während Petra die Fangriemen ihrer Bindung nachstellte, sah Martin vier hübsche Mädchen, begleitet von einem Mann, den der orangefarbene Anorak als Skilehrer auswies. Sie waren jung und gut gewachsen, und er betrachtete sie erfreut, nicht absichtsvoll, mehr aus Gewohnheit. Martin sah, daß sie Petra zuwinkten, Mitschülerinnen wohl, und so erfasste er zum ersten Mal, welchen Belastungen seine angemaßte Vaterrolle bald ausgesetzt sein würde.
    »Internatsgänse!« schimpfte Petra und wartete nur darauf, daß die Mädchen weiterzögen; die Gruppe blieb stehen, sicher in der gleichen Absicht. Petra brannte darauf, ihren Vater vorzuführen, aber in brillierender, nicht in womöglich blamabler Lage. »Diese Kanaillen«, zischte sie, »warten absichtlich.«
    Dann sah Petra die kessen Blicke, die Martin zugeworfen wurden, kokette Angebote; sie beobachtete, wie er sie gelassen auffing und gelassen zu erwidern schien.
    »Los!« sagte sie und schob sich mit den Stöcken an.
    Petra fuhr eine kurze Strecke Schuß, erreichte den Steilhang und ließ sich querrutschend hineintragen. Martin, der ihr gefolgt war, blieb in der Fall-Linie; elegant einmal rechts und einmal links mit parallelen Skiern schwingend, fuhr er wieder Schuß, um mit einem weiten Schwung vor Maman stehenzubleiben.
    »Mensch!« rief Petra schon von weitem.
    »Qu'est-ce qu'elle a dit?«

Weitere Kostenlose Bücher