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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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kannst und sollst du außerdem«, versprach Martin. »Und nun hör mir gut zu«, setzte er unnötig hinzu. »Du weißt, daß ich Mitbesitzer dieses Blattes bin. Natürlich wird man wissen, daß du von mir protegiert wurdest; aber ich will, daß dieser Eindruck so bald wie möglich verschwindet. Verstehst du? Ich werde dir nur beim Start helfen, dann …«
    »Ich möchte es auch nicht anders.«
    »Ich will mich in diese Zeitung nicht einmischen und sie lassen, wie sie jetzt ist«, sagte Martin mit einem seltsamen Lächeln.
    Er denkt an Felix Lessing, erfasste der Junge, er betrachtet den Tageskurier als das Vermächtnis des Freundes – verwunderlich, wie sentimental er sein kann.
    »Ich weiß nicht, wie …«
    »Wie du mir danken sollst?« erwiderte Martin ironisch, »sage ich dir gleich. Ich erwarte noch einen Gefallen von dir. Du kennst die Geschichten, die über mich in Umlauf sind? Ich möchte, daß du sie – selbstverständlich nicht im Tageskurier ~ wiederbelebst.«
    »Diesen Unfug mit den goldenen Türklinken?«
    »Zum letzten Mal«, versetzte Martin. »Ich brauche das für einen bestimmten Zweck, und ich möchte, daß die Quelle nicht erkennbar ist. Kannst du es so arrangieren?«
    »Lächerlich«, erwiderte der Reporter.
    »Wir richten dir einen Sonderfonds ein. Du kannst so viel Geld ausgeben, wie …«
    »Ich brauche kein Geld.«
    »Ich weiß«, entgegnete Martin lächelnd, »in deinem Alter fehlte auch mir der Erwerbssinn, aber er wird sich noch entwickeln, mein Junge.«
    »Wollen Sie eine neue Ritt-Story?«
    »Eine verbesserte«, antwortete Martin, »das Bildnis des Selfmademans mit den festen Fäusten und dem weichen Herzen – hart, aber ehrlich, und …«
    »Einen Aufguss für das deutsche Gemüt?«
    »Ja«, erwiderte Martin, »fein, daß du so rasch kapierst.«
    »Unter Verwendung der alten Geschichten?«
    »Deine Sache, du hast freie Hand und kannst mich mit ein paar neuen Einfällen aufpolieren.«
    Guido erklärte, er wolle in der Nähe der Wirklichkeit bleiben, da seiner Meinung nach die Leser nicht so dumm seien, wie manche Blätter annahmen, und Martin freute sich ob seines Eifers.
    »Gut«, unterbrach er ihn, um einem längeren Vortrag über angewandte Massenpsychologie zuvorzukommen, »welche Angaben brauchst du von mir: Größe, Gewicht, Augenfarbe, Kinderkrankheiten?«
    »Beginnen wir mit dem Barras«, erwiderte der Junge spöttisch.
    »Sechs Jahre. Reicht's?«
    »Mir schon«, sagte Guido. »Als was?«
    »Hauptmann.«
    »Offizier – gut. Verwundet auch?«
    »Mehrmals.«
    »Noch besser; Frauen lieben vernarbte Krieger; besonders, wenn sie hart, sexy und versoffen sind.« Lächelnd fragte er weiter: »Fronteinsatz – wo?«
    »Im Osten.«
    »Bestens«, antwortete Guido sarkastisch, »die deutsche Schicksalsfront!«
    Sie verstanden sich, warfen sich Spottworte wie Gummibälle zu, Jongleure des Zynismus beide. »Ein Ritterkreuz hatten Sie nicht zufällig?« fragte Guido.
    »Zufällig nicht.«
    »Schade – wenigstens das Deutsche Kreuz in Gold?«
    »Das Spiegelei? Ja.«
    »Soll ich es Ihnen in Butter braten?«
    »Das wirst du lassen«, versetzte Martin.
    »Wie steht es mit dem persönlichen Hintergrund?« examinierte der Reporter weiter. »Deutscher Mensch muß Familie haben.«
    »Fehlanzeige.«
    »Ihre Mutter ist Französin? Der Vater?«
    »Kriegsverbrecher«, antwortete Martin gelassen, »hingerichtet in Landsberg. Aber das lassen wir aus.« Martin sah, daß er den Sarkasmus des Jungen aufgehalten hatte und durch die Transparenz seines Gesichts Erschrecken drang.
    »Sippenhaftung?« fragte er heiter.
    »Nein«, erwiderte Guido mit belegter Stimme.
    »Ich sage dir das nur, damit du weißt, wo die Fußangeln liegen: meinen Vater übergehst du, meine Mutter schonst du, meine Tochter erwähnst du so wenig wie alle – sagen wir – aktuellen Amouren.«
    Guido hatte sich gefangen und entgegnete: »Ein paar Frauen sollte es in Ihrem einsamen Leben aber schon geben. No comment?« fragte er vorsichtig.
    »Denk dir aus, was du magst. Es ist ohnehin immer das gleiche.« Martin verbesserte sich: »Wenigstens meistens.« Er sah, daß Guido die Korrektur bemerkt hatte; obwohl er ihm ohne Vorbehalt vertraute, nahm sich Martin vor, künftig besser auf der Hut zu sein.
    Das vornehme Töchterheim lag am Hang und der Hang in der Sonne des Vorfrühlings, die dem tiefen Schnee nichts antat. Das feudale Erziehungsinstitut verfügte über einen kleinen Skilift am hauseigenen Übungshang, den eine Horde

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