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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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der Staatsanwalt, »hier liegt wirklich der Ausnahmefall vor, an den der Gesetzgeber dachte.«
    »Sie wollen eine verschärfte Untersuchungshaft?«
    »Ja, Herr Kollege«, antwortete Rothauch und führte noch einmal an, welche Machtmittel Ritt zur Verfügung stünden, wie spielend leicht es ihm fiele, Riesenbeträge auszugeben, um seine Tat zu vertuschen.
    »Wenn dieser Brenner erfährt«, erwiderte der Ermittlungsrichter, »daß Wirth tot ist …«
    »… wäre der Ofen für mich aus«, ergänzte der Staatsanwalt.
    »Jawohl«, antwortete Dr. Kleinlein. Dann unterschrieb er guten Gewissens die richterliche Genehmigung.
    »Um es ein für allemal zu sagen, Eva …«, Petra sprach lächelnd, halblaut, denn Martin stand in der Nähe, »ich kann Sie nicht ausstehen. Ich hasse Sie! Wenn Sie einen Kropf hätten oder krumme Beine oder eine schiefe Nase«, schimpfte sie weiterhin mit blitzenden Augen und glühendem Gesicht, »wenn Sie dumm wären oder einen Hängebusen hätten oder gar keinen – oder wenigstens einen üblen Mundgeruch …« Sie brach ab, weil ihr die Luft ausgegangen war, betrachtete Martin und setzte hinzu: »Sehen Sie nur, was Sie aus ihm gemacht haben! Wie er dasteht, sich reckt – wie ein balzender Auerhahn!«
    Eva antwortete noch immer nicht. Ihre Augen waren hinter einer Sonnenbrille verborgen, so daß Petra nicht sah, ob ihre Tiefschläge wenigstens verletzt hätten, und so wollte sie sichergehen und setzte noch einmal an.
    »Lieber wäre es mir«, fauchte sie, »er triebe sich mit hundert Frauen herum, als daß er mit Ihnen ins Bett …«
    »Du bist mir ja ein manierliches Kind«, erwiderte Eva lachend, »reizend, dem Vater aus dem Gesicht …«
    »Ich weiß auch, was Sie von ihm wollen«, sagte Petra heftig, »aber solange ich hier bin, werden Sie es nicht erreichen. Da können Sie Gift darauf nehmen, Eva! Mir langt schon ein Stiefvater«, fuhr sie Eva an, »ich will nicht auch noch eine Stiefmutter.«
    Petra sah, daß Martin näher kam, und zischte leise: »Jetzt können Sie mich ja verpfeifen.« Dann lächelte sie freundlich Martin zu.
    »Na, ihr beiden«, fragte er, »vertragt ihr euch?«
    »Ja, Vati«, antwortete Petra tückisch.
    »Noch einmal Vati«, entgegnete er, »und du fliegst ins Wasser.«
    »Nicht nötig«, erwiderte Petra und sprang, erhitzt wie sie war, in die palmengesäumte Piscine.
    »Hat sie dir eingeheizt?«
    »Sie hat Angst, ich würde dich heiraten«, sagte Eva.
    »Würdest du es denn tun?« fragte er.
    »Würdest du mich denn darum bitten?« fragte sie.
    »Würdest du es denn wollen?«
    »Vielleicht wäre ich dazu zu alt«, meinte sie.
    »Oder auch zu klug …«
    »Oder auch zu unklug, Vati«, entgegnete sie lachend. »Außerdem: Hexen heiraten nicht.« Sie stand auf. »Sie beherrschen ihre Männer auch so«, rief sie und sprang Petra in das Schwimmbecken nach, kopfüber, ohne auf ihre Haare zu achten, ohne ein verwaschenes Make-up zu fürchten, denn Eva benutzte keines, da sie es entbehren konnte.
    Es war eine der zahllosen Szenen, die sich mit zunehmender Heftigkeit abspielten, seit Petra zum ersten Male der ungleichen Rivalin verdrossen die Hand gegeben hatte, vor zehn Tagen, da Eva als Gast in Martins Haus gezogen war, in die Traumvilla, die Le Colombier, Der Taubenschlag, hieß und für die junge Frau eine Löwengrube war.
    Als Martin ihr in Nizza mit bedenklicher Miene eine problematische Einladung überbracht hatte, war Eva sofort zu einer Zusage bereit gewesen, da es ihr besser erschien, unschöne Wochen zu erleben, als in einem unmöglichen Zustand zu verharren, den sie in stummer Geduld ertragen hatte, weil sie wußte, daß Männer, die ohnedies Klagen nicht mögen, Klagen hassen, wenn sie zu Recht vorgebracht werden.
    So hatte sich Eva selbst den Löwen zum Fraß angeboten, von vornherein weniger Petras vordergründige Bosheit fürchtend als Madame Rignier im Hintergrund, Martins Mutter, die es verstand, ihre Eifersucht hinter ihrer Höflichkeit zu verbergen und ihre Angst, Martin an eine Frau zu verlieren, mit Grazie zu überspielen.
    Als Eva Madame kennen lernte, verstand sie zum ersten Mal seine ständige, scheinbar übertriebene Sorge um seine Mutter. Eva wurde selbst von einem unerklärlichen unterschwelligen Fluidum erfasst, das von der stillen zierlichen Frau auszugehen schien, unwirklich und ungreifbar, ein Hauch Vergänglichkeit, ein Atemzug Melancholie.
    Madame Rignier hielt ihren Nachmittagsschlaf, Eva kam aus dem Swimming-pool zurück, Petra war

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