Die wilden Jahre
Konstruktion der Verbindung Brenner-Ritt zu untermauern.
»Aber wer sagt mir, daß ich Ihnen trauen kann?« fragte er den vorgeblich korrupten Aufseher.
»Ich hab' schließlich mehr zu verlieren als du«, entgegnete der Mann.
»Eben … –« erwiderte Guido, »Sie sind mir zu selbstlos.«
»Du kannst dich ja erkenntlich zeigen.«
Guido überlegte, ob er ein Schimpfwort auf den Zettel schreiben und Rothauch ärgern solle, dann sagte er sich, daß es besser sei, nicht wissen zu lassen, wie gut er mit seinen Finten vertraut sei.
»Ich habe es mir überlegt«, erklärte er dem Wärter, »einmal ist es unkorrekt, dann möchte ich Sie nicht in Gefahr bringen. Und wem sollte ich schreiben? Meinen Eltern? Ich würde ihnen nur Sorgen machen …«
»Wie du willst«, brummte der Aufseher.
Wieder erlebte Guido eine schlimme Nacht, und diesmal wütete, tobte, verzweifelte, fieberte er, lag dann erschöpft auf seiner Pritsche, um nach kurzer Zeit weiter gefoltert zu werden.
Als man den Reporter am Morgen zum Staatsanwalt führte, hatte er tiefliegende Augen und blasse eingefallene Wangen.
»Bedient?« fragte Rothauch, der Guido lächelnd betrachtete, nicht unfreundlich, und, um eine vertrauliche Atmosphäre zu schaffen, das Protokollmädchen ins Vorzimmer schickte, zugleich aber auf den Knopf unter der Schreibtischplatte drückte, um das Tonband einzuschalten.
»Von Ihnen? Längst!« antwortete Guido.
»Das glauben Sie«, entgegnete der Staatsanwalt.
»Ihre Glanzzeiten sind doch vorbei.« Der Reporter betrachtete den Staatsanwalt mit frischgeschliffenem Hass. »Ist ja lächerlich, ein bißchen einsperren! Wo ist denn der Stehbunker? Die Dunkelhaft? Bißchen Gas in die Zelle. Oder haben Sie es schon verlernt, Herr Rothauch?«
»Was soll das?« fragte der Staatsanwalt.
»So geht es eben«, fuhr Guido fort, »wenn man verweichlicht. Zuerst werden die Hände schlaff, und dann läßt das Gedächtnis nach …«
»Es geht Sie zwar nichts an«, erwiderte Rothauch, »aber ich stelle trotzdem der Ordnung halber fest, daß ich mich zu den Grundsätzen der Demokratie …«
»Sie vielleicht«, entgegnete der Reporter gehässig. »Aber ich wäre dafür, daß man mit Leuten, die in Polen Schweinereien begingen …« Guido lehnte sich zurück, starrte auf Rothauch, stellte ihn sich vor mit Stiefeln, in Uniform, – und fuhr fort: »– die nämlichen Schweinereien anstellte. Herrliche Zeiten, in denen Sie sich zum Demokraten mausern und ich zum Faschisten werde!«
»Fertig?« fragte Rothauch.
Guido schwieg.
»Zellenkoller, was?« fragte der Staatsanwalt ruhig.
»Kunststück«, entgegnete Guido und überlegte: wenn ihm schon Rothauch die Haftpsychose bestätigte, konnte das Tonband – auch wenn er noch ausfälliger würde – nicht gegen ihn verwendet werden. Er hatte gespürt, wie gut ihm das vorplänkelnde Gespräch tat, und war bereit, sich seelisch nun gleich völlig zu sanieren.
»Sonst haben Sie mir nichts zu sagen?« fragte Rothauch. »Wollen Sie sich nicht diese Tortur – ich weiß doch, was Sie mitmachen, Brenner – ersparen?«
»Wodurch?«
»Wenn Sie sich endlich zur Wahrheit …«
»Gut«, antwortete Guido. »Ich möchte meine Aussage von neulich ergänzen. Wollen Sie es gleich zu Protokoll nehmen?«
»Ich glaube«, versetzte der Staatsanwalt abwartend, »wir sprechen zuerst einmal darüber – von Mensch zu Mensch.«
»Von Mensch zu Mensch«, erwiderte Guido wie ein Echo und verzog das Gesicht. »Also ich gestehe, mir die erwähnten Zitate auf eine etwas umstrittene Weise besorgt zu haben.« Er sah, wie in Rothauchs Gesicht erste Befriedigung aufflammte, und genoß es. »Ich hatte mich mit Abgeordneten angefreundet – die Namen gebe ich Ihnen dann zu Protokoll –, mit ihnen Karten gespielt und getrunken. Ich tat es in der vorsätzlichen Absicht, Nachrichten über einen geheimen Ausschuss zu sammeln.«
»Ist mir klar«, unterbrach der Staatsanwalt.
»Einer von ihnen verließ die Sitzung mit den Unterlagen – und nahm zu Hause, wo ich mich gerade aufhielt, ein Bad.«
»Weiter, bitte.«
»Während er in der Wanne saß, ging ich an seine Mappe, entnahm ihr ein Protokoll und notierte einige Sätze, die mir wesentlich schienen.«
»Das war nicht sehr fein«, sagte Rothauch sanft.
»Wer ist schon,fein' in dieser Welt?« entgegnete Guido, »vielleicht Ihr Büttel, der sich gestern erbot, einen Kassiber hinauszuschmuggeln?«
»Unsinn«, wehrte der Staatsanwalt ab, »nennen Sie mir den
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