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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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kam zu dem Resultat, daß er nur zwei Möglichkeiten sehe. »Entweder muß ich, trotz aller Bedenken, den Fall einstellen …«
    »Oder?« fragte Dr. Link, so unbetont wie möglich.
    »Flucht nach vorn.«
    »Wie wollen Sie sich entscheiden?«
    »Halten Sie mich für keinen Feigling, Herr Oberstaatsanwalt«, antwortete Rothauch, »aber ich brauche Rückendeckung. Ich möchte mit dem Staatssekretär sprechen.«
    »Gar nicht so dumm«, lobte der Chef, »aber vorsichtig, bitte!« Er verabschiedete sich mit der witzigen Feststellung, daß für ihn der Fall Ritt dann ausgestanden sei, wenn Dr. Schlemmer sich im Kloster Exerzitien unterziehe.
    Unmäßig und monströs war die Spannung, die die Bewohner der Villa Le Colombier zunehmend quälte. Madame versicherte, sie erhole sich besser von Tag zu Tag, aber daß sie untaugliche Hoffnungen mit unwahren Worten aufputzte, wußten nun alle vier.
    Petras Eifersucht potenzierte sich, weil selbst Madame zu Eva übergelaufen war. Eva hatte das Vertrauen der Patientin gewonnen und hielt sich stundenlang in ihrem Zimmer auf, Pflegerin und Gesellschafterin zugleich, schon nach Tagen unentbehrlich.
    Selbst Martin beunruhigte diese unvermutete Freundschaft. Er sagte sich, daß Eva nicht aus egoistischem Antrieb die Zuneigung der alten Dame suche; er wußte aber auch, wie schwer Maman sonst Zutrauen zu fremden Menschen faßte, und so wehrte er sich gegen die Vision, selbst Eva nehme an einer Verschwörung des Schweigens teil, die man wie eine Mauer um ihn zog. Hirngespinste, dachte er, verwarf sie, sah Eva, betrachtete Maman, unschlüssig, ob er den Augen oder seinem Verstand trauen sollte.
    »Sie ist schon wieder bei ihr«, sagte Petra wütend.
    »Maman braucht sie. Eva tut ihr gut.«
    »Mich hat sie weggeschickt. Warum treibt sich Eva soviel bei Madame herum?«
    »Weil sie ihr hilft«, antwortete Martin.
    »Das glaubst du«, entgegnete die Fünfzehnjährige heftig. »Sie will sich bei Madame einschleichen, und wenn du weiter nur herumsitzt und auf das Meer starrst, dann schafft sie es auch noch …«
    »Bei dir schafft sie es wohl nicht?«
    »Nie«, erwiderte Petra gereizt.
    »Vorsicht«, entgegnete Martin beherrscht, »Eva ist eine Hexe.«
    »Hexen sind nur für Männer gefährlich. Für Männer wie dich.« Sie lachte schrill. »Für alternde Männer.« Petra sah, daß Martin auf das Stichwort nicht einging, und fuhr fort: »Das ganze Theater macht sie nur, weil sie dich heiraten will.«
    »Wir wollen nun das Thema beenden«, sagte Martin, der Petras ständigen Ausfällen keinen Spaß mehr abgewann.
    »Mir reicht schon ein Schlemmer-Vater«, fing Petra wieder an, »ich möchte nicht auch noch eine Ritt-Mutter.«
    »Ich nehme es zur Kenntnis«, erwiderte Martin. »Und jetzt laufen wir Wasserski!«
    Sie stand sofort auf, verwandelt, lächelnd. »Du weißt genau, filou, daß ich bestechlich bin.«
    Der Friede war wieder einmal hergestellt, aber subversiv vibrierte die Spannung weiter. Sie merkten es am Mittagstisch, der sie alle vier vereinte; sie erkannten es an den zu höflichen, zu banalen, zu kärglichen oder zu gesuchten Worten. Maman erhob sich, Eva stützte sie, die Patientin lächelte ihnen zu, und Martin blieb weiter Petras Ungezogenheiten überlassen.
    Die Nachmittagspost brachte Abwechslung, erfreuliche, sowohl was die Stabilisierung der Ritt-Effekten an der Börse als auch den Fortgang der Familienfehde mit dem Hause Schlemmer anbelangte. Dr. Schiele teilte mit, daß er ein Präzedenzurteil eines höheren Gerichts ausgegraben habe; es böte die Möglichkeit, die Adoption seiner Tochter Petra durch Schlemmer anzufechten.
    »Na also«, sagte Martin, »es gibt etwas Neues.«
    »Hast du dich wieder als Rosstäuscher bewährt und Dummköpfen Geld abgenommen?« fragte Petra.
    Bettina – erkannte Martin sofort und erfuhr, vorsichtig fragend, das Pferdemarktbeispiel, das seine geschiedene Frau der Fünfzehnjährigen suggeriert hatte. Er lachte, stellte den Vergleich richtig und sagte: »Bis jetzt haben die Hintergangenen an meinen alten Rössern jedenfalls ganz gut verdient, die Kurse der Ritt-Aktien stehen wie ein Damm, an dem sich die Köpfe der Wellen einrennen.« Martin wies auf den Brief seines Bevollmächtigten. »Aber jetzt werde ich dafür sorgen, daß du nicht länger mit dem Namen eines – wie sagtest du – Dummkopfes behaftet bleibst.«
    »Wieso?« fragte Petra verständnislos.
    »Du heißt nicht mehr lange Schlemmer«, erläuterte er, »bald heißt du wie ich.« Mit

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