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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Größe, einen Hass, der sich gegen Martin entladen würde, auf den die Tochter weiter zornig sein wollte, ohne es doch ganz zu können.
    »Ich muß weg«, sagte sie zu ihrer Mutter, »für ein paar Tage bloß«, schränkte sie ein. »Madame geht es sehr schlecht.«
    »Du willst schon wieder weg von uns?«
    »Wir haben ein Abkommen, Mutti …«
    »Das schon«, gab Bettina widerstrebend zu, »aber ich denke, du bist fertig – mit diesen Leuten?«
    »Nicht, wenn sie im Sterben liegen«, erwiderte Petra schroff, aufgewühlt von der schlechten Nachricht.
    »So schlimm wird es schon nicht sein«, entgegnete die Mutter, eine Finte witternd. »Du brauchst doch nicht gleich zu Martin ins Haus zu ziehen, Kind.«
    »Versteh doch bitte, es geht um Madame.« Tückisch setzte sie hinzu: »Die du ja nicht einmal kennst.«
    Die sichere Bettina erwies sich als hilflos gegenüber dieser unerwarteten Entwicklung. Die übliche Vorsicht vergessend, sagte sie laut zu ihrem Mann: »Heinrich, du mußt etwas unternehmen!«
    Petra hatte in der Eile die Türen offen gelassen und packte mit flinken Händen und bitteren Gefühlen, in Angst um Madame und auch ein wenig erleichtert darüber, diesem Treibhaus brütender Vergeltung zu entkommen. Sie achtete nicht auf das Stimmengemurmel, das von unten herauf drang, bis sie das Wort Haftbefehl hörte.
    Haftbefehl? dachte sie entsetzt, das ist es, daher die Unruhe, die gespannte Erwartung, der heimliche Triumph. Petra stahl sich an die Tür und horchte.
    »Wir müssen das unter allen Umständen verhindern«, sagte der Stiefvater.
    »Dann tu doch was!« herrschte ihn Bettina an. »Oder soll sie zusehen, wie man diesen Ritt abführt?«
    Petra schloß lautlos die Tür. Sie überlegte nicht, warum Martin verhaftet werden sollte; sie dachte nicht daran, daß sie ihn nie hatte wieder sehen wollen; sie sagte sich nur, daß sie Martin unbedingt schnell warnen müsse.
    Bettina kam wieder in ihr Zimmer, Schlemmer folgte ihr. Zu zweit redeten sie auf Petra ein, bittend, werbend, drohend, um sie zurückzuhalten. Die Fünfzehnjährige ließ es schweigend über sich ergehen, ging an das Telefon und bestellte ein Taxi.
    »Ich verstehe nicht«, sagte Petra statt eines Abschieds, »wie ihr so herzlos sein könnt.«
    Sie gab den Martinsturm als Ziel an, drehte sich nicht nach ihrer Mutter um, als sie im Wagen saß, und bat den Fahrer, so rasch wie möglich zu fahren. Auf dem Parkplatz des Hochhauses angekommen, sprang sie aus dem Taxi, rief dem Fahrer zu, auf sie zu warten, nahm den Schnellift, durcheilte das Vorzimmer, erfuhr, daß Martin zu Hause sei, fürchtete den Wettlauf mit der Zeit zu verlieren, und stürmte ohne Anmeldung in das Zimmer Dr. Schieles, der in einer Besprechung war, so daß ihn Petras Überfall verärgerte. Trotzdem stand er auf und ging mit ihr in Martins Zimmer.
    »Sie müssen etwas tun!« rief sie wild. »Sofort – es ist ein Haftbefehl erlassen.«
    »Gegen wen?« fragte Schiele pedantisch.
    »Gegen meinen Vater«, antwortete sie ungeduldig.
    »Weshalb?«
    »Aber das weiß ich doch nicht«, rief sie gereizt, »man muß ihn doch warnen!« Petra mochte Schiele ohnehin nicht, aber als er ihr jetzt mit starrem Gesicht gegenüberstand, das überheblich auszudrücken schien: das mußte ja einmal kommen, dieser Ritt ging immer am Abgrund entlang, ein Wunder, daß er so lange nicht stürzte – da hasste sie seine bornierte Trägheit. »Stehen Sie doch nicht so schwerfällig herum!« fuhr sie ihn an.
    Der geschulte Verstand des Juristen arbeitete präzise: Flucht? War sinnlos. Vielleicht wollte man Ritt sogar dazu provozieren. Er sah Petra an, deren Gesicht zornig glühte. Glatter Fall von Begünstigung, überlegte er, dennoch nicht strafbar, weil es sich um ihren leiblichen Vater handelt – aber auch um die Adoptivtochter des Staatssekretärs, was zu einem Skandal führen mußte.
    »Du weißt doch«, sagte Schiele, »daß du uns nicht warnen dürftest?«
    »Sind Sie eigentlich der Helfer meines Vaters«, entgegnete sie laut, »oder sein Feind?«
    »Sein Partner«, antwortete Dr. Schiele, »und außerdem noch Jurist, und deshalb möchte ich, daß sich seine Tochter aus der Sache heraushält.«
    Während er Ritts Privatnummer wählte, fragte er Petra: »Wer weiß, daß du hergekommen bist?«
    »Nur der Taxifahrer.«
    »Du läßt dich zurückbringen?«
    »Nein, ich fahre zu Madame«, antwortete sie.
    Das Hausmädchen meldete sich am Telefon und sagte lamentierend, daß Herr Ritt jetzt nicht

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