Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
Zeit nicht. Sie missverstehen den Sinn der verschärften U-Haft.«
    »Keineswegs«, erwiderte Martin.
    »Ihr Mittäter, Brenner, hat übrigens schon ein Geständnis abgelegt«, behauptete Rothauch.
    »Was hat er gestanden?«
    »Das Geld zur Bestechung eines Regierungsbeamten von Ihnen erhalten zu haben.«
    »Das hat Guido gestanden?« fragte Martin ironisch.
    »So ungefähr.«
    »Wie hast du denn das geschafft, Rothauch?« erwiderte Martin fast anerkennend. Er sah, daß der Staatsanwalt jedes Mal schmerzhaft zusammenfuhr, wenn er die vertraute Anrede gebrauchte, und beschloß, dabei zu bleiben. »Machen wir es kurz«, sagte er dann, »wie komme ich auf schnellstem Weg aus der Haft?«
    »Machen wir es noch kürzer«, erwiderte Rothauch, »durch ein Geständnis.«
    »Schön«, antwortete Martin, »ich werde es mir überlegen.« Er beendete rasch eine Vernehmung, für die sich der Staatsanwalt eine ganze Nacht reserviert hatte, und auch die richterliche Vernehmung am nächsten Morgen brachte kein anderes Ergebnis.

VIII
    Umgehend wandte sich Dr. Schiele an die Staatsanwaltschaft und bat um Aufklärung über die Hintergründe der Verhaftung Ritts. Er erhielt sie nicht und hatte es, vertraut mit allen Schlichen und Schlingen der Voruntersuchung, auch nicht anders erwartet. Als Jurist dachte Schiele logisch, als Privatmann zynisch, Gerechtigkeit hielt er für eine Utopie, da sie von Imponderabilien abhing, die kein Gesetzgeber der Welt ausschließen konnte, solange sie Menschen anvertraut war, die irren konnten und es mitunter sogar wollten.
    Gestützt auf diese Meinung ging er daran, eine Bresche in den Wall des Verfahrens zu schlagen, unverzüglich, umsichtig, bar jeder Erregung. Er ließ sich beim Ermittlungsrichter melden und mußte warten, nicht kürzer als üblich, nicht länger als nötig. Dr. Kleinlein nahm sofort an, daß Rothauch beim Vollzug des Haftbefehls eine Panne unterlaufen sei, da sie aber nicht in seine Zuständigkeit fiel, war ihm das völlig egal.
    »Sie kommen also in Sachen Ritt«, empfing er den Juristen. Während er die Generalvollmacht seines Besuchers eingehend durchlas, schätzte ihn Schiele ab: korrekt, überlegte er, vielleicht klug, womöglich sogar couragiert. Kleinlein reichte das Schriftstück zurück. »Sie kommen früher als erwartet. Woher wissen Sie, daß man Ihren Mandanten verhaftet hat?«
    »Von seiner Mutter«, behauptete er glatt, um Petra zu schützen.
    »Wurde sie nicht zum Schweigen aufgefordert?«
    »Ganz recht«, erwiderte Schiele, »aber in ihrem Zustand gelten wohl andere Gesetze.«
    »Wieso?« fragte Dr. Kleinlein.
    »Leukämie – letztes Stadium«, erklärte der Besucher ruhig, »der Arzt gibt ihr nur noch wenige Tage.«
    »Das – das wußte ich nicht.«
    »Das dachte ich mir«, erwiderte Dr. Schiele. »Ich will Sie nicht lange aufhalten, Herr Amtsgerichtsrat. Ich war selbst einmal Richter und weiß, daß Sie Ihre guten Gründe hatten, diesen Haftbefehl zu unterschreiben.«
    Der Ermittlungsrichter betrachtete ihn aufmerksam. Er war abgehärtet im Umgang mit Rechtsanwälten, er kannte advokatische Kniffe und konnte echte Erregung sehr wohl von falschem Zorn, berechtigte Besorgnis von sorgsamer Berechnung unterscheiden. Kein Advokat, dachte er, ein Rechtsanwalt, kalte Augen, kühles Blut, Vorsicht.
    »Leider kenne ich diese Gründe nicht«, sagte Schiele, »ich weiß nicht, ob mein Mandant schuldig ist oder nicht. Man sagt mir nicht einmal, was ihm zur Last gelegt wird, und verweigerte mir die Einsicht der Akten.«
    »Ich habe das angeordnet«, sagte Kleinlein.
    »Ich kann also nicht mit Ihnen über das Delikt sprechen, sondern Sie nur auf einige Dinge aufmerksam machen, die Ihnen vielleicht …«, er wiederholte das letzte Wort perfid, »vielleicht der Staatsanwalt nicht vorgetragen hat.«
    »Bitte«, entgegnete der Ermittlungsrichter höflich.
    »Ritt«, begann Schiele, »verkörpert eine Firma mit Milliardenumsätzen. Die Entscheidungen eines einzigen Tages gehen oft um viele Millionen, und sie kommen in der Weise zustande, daß Ritt sich mit mir berät und sie dann trifft. Wir haben zwar die Handelsform einer Aktiengesellschaft, sind aber im Grunde ein Einmannbetrieb, der lahm gelegt ist, wenn ich nicht mit Ritt in ständigem Kontakt stehe.« Der Richter forderte ihn durch ein Kopfnicken auf, weiterzusprechen. »Ritt ist der Namensgeber dieser Firma, deren Aktien etwa zur Hälfte in seinen und zur anderen Hälfte von Kleinaktionären sind. Spricht sich seine

Weitere Kostenlose Bücher