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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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vergesse.«
    Martin sah, wie in Rothauchs Gesicht Besorgnis, Triumph, Misstrauen und Vorsicht gärten, wie ihn das Angebot unruhig machte, gierig und auch verstört.
    »Ich will mir das überlegen«, sagte der Staatsanwalt, »außerdem kann ich es nicht allein entscheiden.«
    »Überlege es dir nicht zu lange«, der Häftling erhob sich, »jetzt«, sagte er schroff, »oder nie!«
    Die Presse wußte noch immer nicht, daß Martin Ritt seit Tagen in Haft war, und selbst in den Kreisen der Justiz war es noch weitgehend unbekannt; hingegen wußte man hier, daß Staatssekretär Dr. Schlemmer überraschend einen dreitägigen Urlaub genommen habe und mit unbekanntem Ziel verreist sei; nur seiner näheren Umgebung war bekannt, daß er sich wieder klösterlichen Schweigeübungen unterzog.
    Bettina war allein zu Hause.
    Sie wollte zum Einkaufen in die Stadt fahren, überlegte es sich aber anders, da sie noch immer auf einen Anruf Petras hoffte: so oft es klingelte, hob sie hastig den Hörer ab.
    »Drumbach«, meldete sich der Präsident; nach einigen höflichen Fragen kam er zur Sache: er habe wunschgemäß noch einmal mit Dr. Schiele gesprochen und glaube nicht, daß der Mann zu Ritt stehen würde, wenn es hart auf hart ginge.
    Bettina bedankte sich höflich.
    »Dem Hausherrn geht es gut?« fragte Drumbach.
    »Ich hoffe«, antwortete Bettina, »er ist verreist.«
    Der Präsident erklärte, er habe noch eine wichtige Mitteilung, die er aber nur ungern dem Telefon anvertraue. Zufällig sei er in der Nähe, und so Bettina als Strohwitwe es nicht unschicklich fände, würde er gern seine Aufwartung machen.
    »Aber so kommen Sie doch!« entgegnete sie ohne weitere Umstände.
    Schon nach einer Viertelstunde erschien er.
    Bettina öffnete ihm selbst.
    »Leider keine Blumen«, sagte er ohne Begrüßung, »dafür eine gute Nachricht. Wußten Sie, daß Ihr erster Mann von Schiele zum Tode verurteilt worden war?«
    »Ach«, entgegnete Bettina, »das ist mir neu.«
    »Und … und erklärt vielleicht vieles.«
    Sie standen in der Diele sich gegenüber.
    »Nett, daß Sie sich selbst herbemühen«, sagte Bettina lächelnd.
    »Nicht ohne Grund«, entgegnete Drumbach, ein Herr im dunklen Anzug, ein Mann von Welt, der lässig die Aureole des Erfolgs trug, »ich meine …«
    Bettina sah, wie sich seine Augen dunkler färbten, fühlte seinen Blick auf ihrer Haut, hörte den belegten Klang seiner Stimme, spürte deutlich, wie ein Verlangen sie umfloss, erregte; sie genoß es, lächelte kühl, damenhaft, bat den Präsidenten, einzutreten, verfolgte, wie er mit der Schicklichkeit kämpfte, einen Anfang suchte, lauerte, schluckte, hüstelte.
    »Sie denken«, sagte Bettina, »an eine kleine Siegesfeier?«
    »Ich glaube, wir hätten es verdient«, antwortete er heiser.
    »Hier?« fragte sie, »in der Diele?« Sie wandte langsam den Kopf und schaute zur Treppe hin nach oben. Er folgte ihrem Blick, verstand die Anspielung und traute sich dennoch nicht.
    »Bitte, zweite Tür links«, sagte Bettina.
    Er hielt ihre Hand. Sie machte die Tür zu; er hatte es eilig, riß an ihrem Reißverschluss, so ungeduldig, daß das Kleid in Fetzen ging.
    »Sie werden mir ein neues kaufen müssen«, Bettina lachte.
    Sie setzte sich auf ihr Bett, schlug die Beine übereinander. »Ich muß Sie warnen«, entgegnete sie, »ich habe eine flache Brust und knochige Kniescheiben.«
    »Sie sind eine wunderbare Frau, Bettina«, erwiderte Drumbach mit verdunkelten Pupillen.
    Später lag Bettina still neben ihm, spöttisch, kalt.
    »Müde?« fragte sie.
    »Dank Ihrer Hilfe, Gnädigste.«
    »Satt?«
    »Genug.«
    »Zufrieden?«
    »Besser war es auch nicht in Marrakesch«, antwortete er. »Wissen Sie, Madame, der Portier hatte mir eine Araberin geschickt, mit blauen Augen, die ich bis jetzt für das Versierteste gehalten hatte – auf diesem Gebiet …«
    »Herr Präsident benehmen sich vorher wie ein Bauer – und nachher wie ein Kutscher.«
    »Aber so lassen Sie sich doch schmeicheln, Beste …« Drumbach stand auf und suchte das Bad.
    Bettina betrachtete ihn verächtlich: zu viele Haare auf der Brust – und doch nur schüttere Gefühle.
    Er kam zurück, griff nach seinem Hemd. Die Lächerlichkeit verschwand.
    Enge Hose, modischer Knoten am steifen Kragen, darüber die Jacke, leicht tailliert, ein meisterlicher Anzug, klassisch in der Farbe, leger im Schnitt.
    »Grüßen Sie mir Ihre rundlichen Damen«, rief ihm Bettina hämisch nach.
    »Vergessen Sie nicht, Verehrteste«,

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