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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Drumbach verbeugte sich leicht, »mich Ihrem Herrn Gemahl zu empfehlen.« Dann verließ er eilig die Siegesfeier, ein Gentleman.
    Der Mann in der Zelle sah langsam auf, als die Tür geöffnet wurde. Martin glaubte, daß Rothauch heute das Angebot annehmen würde, und folgte dem Aufseher willig über den langen Gang, ohne zu merken, daß er nach rechts abbog statt nach links. Der Gefangene wurde in das Sprechzimmer geführt, in dem ihn Schiele und ein unbekannter Staatsanwalt erwarteten.
    »Schlimm, Ritt«, begrüßte ihn der Statthalter seiner Firma, ohne ihm die Hand zu geben.
    »Wie – wie geht es meiner Mutter?« fragte Martin hastig.
    Schiele betrachtete ihn schweigend; er hatte Martins Überlegenheit immer gehasst, aber als er jetzt in das krampfige Gesicht mit den von Schlaflosigkeit eingefallenen Wangen und mit den verwaschenen Augen sah, fiel es ihm schwer, sein Erschrecken zu verbergen.
    »Nicht sehr gut …«, antwortete er zögernd.
    Martin nickte ergeben, in einer Art, die Schiele zum ersten Mal bei ihm bemerkte. Er wartete, bis Martin ihn ansah, dann blickte er zum Staatsanwalt, der sich eben Notizen machte; Martin begriff die Anspielung schwerfällig und nickte unmerklich.
    »Ritt«, begann Schiele, »Sie waren immer so sehr ein Mann, daß es mich oft verärgerte – heute muß ich Sie bitten, ein Mann zu sein. Versuchen Sie, sich ein paar Minuten von der Sorge um Ihre Mutter zu lösen und mir zuzuhören.«
    Martin sah ihn an, ohne etwas zu sagen.
    »Wollen Sie, daß ich Sie vor Gericht vertrete?«
    »Selbstverständlich.«
    »Man verdächtigt Sie der Bestechung. Sie brauchen mir nicht zu antworten, aber ich frage sie in aller Form: sind Sie schuldig?«
    »Nein.«
    »Kannten Sie einen Mann namens Wirth?«
    »Nein.«
    »Auch nicht indirekt – über Brenner?«
    »Nein.«
    »Darauf kann ich mich verlassen?«
    »Absolut.«
    »Schön«, sagte der Jurist. »Man hatte Ihre völlige Isolierung angeordnet, aber wie Sie sehen, wurde diese Maßnahme inzwischen wieder rückgängig gemacht. Ich habe die Akten eingesehen und werde die Aufhebung des Haftbefehls beantragen.«
    »Wie lange dauert das?« fragte Martin.
    »Ich hoffe, den Haftprüfungstermin in ein paar Tagen durchzusetzen.«
    »Mein Gott, so lange – und Maman …«
    »Ritt«, entgegnete Schiele, der sah, daß ihm heute der Mann, der ihm sonst immer einen Zug voraus gewesen war, nur zögernd folgen konnte. »Es gibt keine andere Möglichkeit, um hier herauszukommen. Sie denken nur an Ihre Mutter … Erlauben Sie mir, daß ich für Sie andere Dinge übernehme?«
    Martin betrachtete den Boden und sah in Mamans todblasses Gesicht. Er hörte Schieles Worte aus der Ferne, die sie fast unverständlich machte, aber er zwang sich mit äußerster Energie, den Besucher anzusehen, zu begreifen, sah in grüne Augen, Glaskugeln, und es war Martin, als zeigten sie zum ersten Mal Wärme, Gefühl.
    »Es steht nicht nur schlimm um Ihre Mutter«, sagte Schiele, behutsam die Worte wählend, vorsichtig Martins Haltung abtastend, »seit Ihrer Verhaftung ist sie in einem Dämmerzustand, unfähig, noch etwas zu erfassen. Professor Sturm verläßt das Krankenlager nicht. Petra ist bei ihr. Eva auch. Was immer getan werden kann, geschieht, aber – leider kann nicht mehr viel getan werden.« Hart setzte er hinzu: »Auch nicht mehr von Ihnen, Ritt.«
    »Ja«, antwortete Martin tonlos.
    »Auch wenn Sie neben ihr stünden, könnte Ihre Mutter sie nicht mehr erkennen.«
    Martins Gesicht wurde müde, alt, scharf.
    »Ich habe leicht reden«, fuhr Schiele fort, »aber vielleicht erfassen Sie eines Tages, daß die Ungeheuerlichkeit dieser Trennung – in diesen Stunden – sogar noch eine Barmherzigkeit …!«
    Der Staatsanwalt legte seine Notizen weg, sah durch das Fenster, fixierte den Schrank in der Ecke, denn seine Augen wollten flüchten.
    »Hören Sie mir gut zu, Ritt: fassen Sie keine falschen Entschlüsse. Ich kenne Sie. Bitte …«, sagte Schiele eindringlich, »fallen Sie mir nicht in den Rücken.«
    Er schien an Martin vorbeigeredet zu haben, der aufstand, um in ergebener Haltung dem Aufseher zu folgen.
    Martin drehte sich noch einmal um. »Kümmern sie sich auch um Brenner, Schiele?« fragte er.
    Der Staatsanwalt schrieb jetzt eifrig mit, und obwohl Schiele wußte, daß Martin eine Unvorsichtigkeit begangen hatte, war er erleichtert, weil Ritt wieder zu denken begann.
    »Aber ja«, sagte er.
    »Danke«, antwortete Martin.
    »In diesem Fall kann ich Sie wirklich

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