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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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sagte er.
    »Arbeitet er?« fragte sie.
    Er ging ohne Antwort.
    Panetzky zahlte am Nachmittag.
    Er legte die Bescheinigung eines Notars vor, daß er als ›freiwillige Schenkung‹ zur Transferierung nach Amerika den vollen Betrag hinterlegt habe.
    Daß er so bald das Geld aufbringen konnte, ließ Martin annehmen, Panetzkys Kriegsbeute müsse wesentlich größer sein, als er geschätzt hatte, und es war ihm ein Beweis, daß die Enthüllung der Kahn-Affäre mit Sicherheit noch weitere üble Geschehnisse aus einem fauligen Untergrund aufwirbeln würde.
    Die Unterschrift Panetzkys auf dem Barscheck war so verzerrt, daß Martin über eine Viertelstunde in der weiträumigen eleganten Schalterhalle einer Züricher Privatbank auf die Auszahlung des Geldes warten mußte und bereits fürchtete, Panetzky hätte im letzten Moment noch ein Loch im Netz entdeckt – dann wurde seine Nummer aufgerufen. Der Beamte zählte den Betrag mit höflicher Gleichgültigkeit vor, über vierzigtausend Schweizer Franken, die zum Grundstock eines Millionenvermögens werden sollten.
    Martin handelte rasch, mit der umsichtigen, unerschrockenen Perfektion, die seine Soldaten im Krieg an ihm bewundert hatten, wenn es galt, einen Angriff abzufangen, Blut zu sparen, einen sinnlosen Befehl zu umgehen.
    Zunächst war es Martin heute ergangen wie früher: Für seine Leute organisierend, nahm er fast verwundert das beste Stück der Beute entgegen, das sie ihm anboten. Dann hatte er jeweils zugegriffen, bedenkenlos und mit kräftigem Appetit; freilich war so ein fetter Happen früher nie abgefallen.
    Er war mit sich zufrieden.
    Er hatte eine üble Sache auf seine Weise geregelt, rasch und lautlos. Er hatte einem Erpresser die Beute abgejagt, sie dem Eigentümer zurückgegeben – und genoß die Befriedigung, eine selbstlose Tat vollbracht und sich selbst doch nicht vergessen zu haben.
    Er gründete in Zürich eine anonyme Handelsgesellschaft, bestellte einen in der City ansässigen Rechtsanwalt zum Geschäftsführer, schob ihn als Schweizer Repräsentanten in den Vordergrund und beteiligte ihn dafür mit zehn Prozent, ohne in Erscheinung zu treten.
    Einen Teil seiner Kriegskasse legte er in Geschenkpaketen an, gab sie an sich selbst auf und an Adressen von Nachbarn und Bekannten, denen er ein paar Konserven überlassen würde, um den Rest für sich zu horten.
    Dann holte er Angebote über Nylongarne ein, tastete die Exportmöglichkeiten nach Ostdeutschland via Berlin ab, ohne Skrupel die erprobten Schleichwege eines Mannes nutzend, den er aus dem Sattel geworfen hatte.
    Im Hotel erwartete ihn Silbermann. Er sah abgekämpft und verzweifelt aus.
    »Alles gutgegangen?« fragte er.
    »Sie sind ja auch noch da«, antwortete Martin. »Verschwinden Sie! Fahren Sie nach Caux zurück! Lassen Sie Ihr Gewissen aufbügeln und büßen Sie dann in Ihrem Lager still und unverdrossen.«
    »Sie haben Panetzky fertiggemacht?« fragte Silbermann.
    »Allerdings.«
    »Mit meiner Hilfe – und da sollten Sie mir eigentlich als kleine Belohnung …«
    »Einen Tritt«, unterbrach ihn Martin, »und einen guten Rat können Sie haben: Laufen Sie mir nie mehr über den Weg, falls sie je wieder freikommen sollten!«
    Er ließ Silbermann im Gang stehen, der mit dem nächsten Zug nach Montreux abreiste, froh, dem jungen Ritt entronnen zu sein.
    Martin blieb noch ein paar Tage in Zürich, fuhr dann dem Omnibus, dessen Fahrer er sich schon bei der Einreise gekauft hatte, entgegen und stieg der ›Gruppe Frankfurt‹ zu, die er nach dem Grenzübertritt wieder verließ.
    Als er in München ankam, waren beim Zollamt bereits elf Geschenkpakete für ihn eingegangen.

XIX
    Nach zwei Monaten spürte Felix flüssiges Blei im Magen, wenn er an Alkohol auch nur dachte. Die volle Flasche in der Gummizelle, dem Schreckenskabinett des Dr. Snyder, war seit drei Wochen nicht mehr ausgewechselt worden. Ekel überlagerte die Sucht. Der Patient lag verstört und erschöpft auf der Matratze.
    Er war lange in einen Dämmerzustand verfallen, der ihn häufig nicht mehr zwischen Tag und Nacht unterscheiden ließ. Bei offenen Augen schien er nicht wahrzunehmen, daß ihn Bob und Mac aus der Quarantäneabteilung auf einer Bahre in ein helles, freundliches Zimmer des Militärhospitals schafften.
    Ein paar Tage blieb der Patient apathisch. Er hatte viel Gewicht verloren; die Falten in seinem Gesicht sahen aus wie Sprünge im Glas.
    Im Spätherbst durfte ihn Susanne zum erstenmal besuchen. Felix hatte die Krise

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