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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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überstanden, aß wieder und begann, sich für seine Umwelt zu interessieren. Er war schwach, aber schon wieder lebhaft, fragte nach dem Dienstbereich, las, lobte und kritisierte Zeitungen, deren Lizenzen er vergeben hatte.
    »Ich glaube, wir haben es geschafft, mein Junge«, sagte Dr. Snyder, »auf deine Leber mußt du künftig achten – das Herz gefällt mir – und die chronische Gastritis bringen wir mit Diät weg. Sonst brauchst du bloß noch Ruhe, Hunger und Luft. Ich werde dich für ein paar Wochen in die Berge schicken, though guy – einverstanden?«
    »Mit allem, Doc.«
    »Wie oft wolltest du mich im Delirium umbringen?« fragte der Arzt lachend.
    »Sei froh, Doc, daß du noch am Leben bist«, erwiderte Felix. »Wie lange muß ich denn noch im Hospital …?«
    »Wenn du ein braver Junge bist, lass' ich dich im Januar schon wieder an deinen Schreibtisch.«
    »Okay, Doc. Und wie lange hält – diese Lektion an?«
    »Immer«, antwortete der Arzt, »wenn du willst.«
    Garmisch-Partenkirchen war das Recreation Center der amerikanischen Armee. Dr. Snyder meldete Felix in dem Erholungsheim für GIs an, das vor dem Krieg als mondänes Hotel international bekannt war.
    In Wirklichkeit war der Arzt nicht so optimistisch wie im Gespräch mit dem Patienten; deshalb hatte er für den Abend Susanne und Martin zu sich eingeladen, die zunächst überrascht waren, daß dieser Einsiedler wie ein Feinschmecker lebte.
    Dr. Snyder hatte sich aus dem Krieg einen französischen Koch mitgebracht, der unter den Offizieren der Militärregierung das Gerücht nährte, er, der Dozent, kehre nur deshalb nicht auf seinen Lehrstuhl in Princeton zurück, weil er seinen Küchenchef nicht verlieren wolle.
    »Das stimmt natürlich nicht«, sagte der Arzt lachend zu seinen Gästen. »Ich bin froh, wenn ich endlich aus der verdammten Army entlassen werde. Aber jetzt habe ich mich tatsächlich für drei Monate zurückstellen lassen, weil ich mein Paradepferd auf freier Weide …« Er reichte Susanne und Martin trockenen Martini, den er fachkundig und umständlich zubereitet hatte. »Nehmen wir einen Schluck auf unseren Abstinenzler.«
    Sie tranken.
    »Wie gefällt er dir denn, honey?«
    »Er ist noch sehr schwach«, antwortete Susanne.
    »Das wird sich geben.«
    Dr. Snyder zündete Kerzen an, chambrierte den Rotwein, den er zum Fasan bereitgestellt hatte, sorgte für angenehme Tischmusik, während das Mädchen eine duftende Zwiebelsuppe auftrug.
    Sie aßen.
    Der Fasan war vorzüglich, dazu gab es Elsässer Sauerkraut – eine Spezialität Mamans, überlegte Martin zerstreut – und Pommes croquettes.
    »So, Kinder«, der Arzt hob die Tafel auf, »nun wollen wir ernsthaft werden, bevor wir das tun«, er zeigte ein kurzes, boshaftes Lächeln, »was wir Felix ein Leben lang verbieten müssen.« Sie wußten längst, daß Dr. Snyder seine Hilfsbereitschaft hinter Sarkasmus verbarg.
    »In den nächsten Wochen brauchen wir uns um Felix keine Sorgen zu machen«, begann er, sah aber Susannes besorgtes Gesicht und verbesserte: »Vielleicht sogar in den nächsten Monaten. Jetzt schützt unseren Patienten eine Art Grauen vor jeder Art Alkohol – aber das wird mit der Zeit abnehmen und stumpfer werden.«
    Der Gastgeber rief nach dem Mokka.
    »Einmal kommt die Versuchung natürlich wieder, sei es aus Neugier, Ärger oder Freude – oder auch nur, weil ihm dieser dumme oberbayerische Föhn zu schaffen macht.«
    »Ja«, sagte Susanne.
    »Und da müßt ihr helfen – vor dem ersten Glas, nicht erst beim zweiten.«
    »Darf er überhaupt nicht mehr …?« fragte sie.
    »Keinen Tropfen – auch keinen noch so dünnen Aperitif, kein Bier …«
    Dr. Snyder goß den Mokka ein und reichte die zierlichen Tassen, Meißener Porzellan, die ihn durch den ganzen Krieg begleitet hatten. »Stell dir vor, was passiert, wenn du ein brennendes Streichholz an ein offenes Benzinfaß hältst – so würde ein einziges Glas auf Felix wirken.«
    »So schlimm?« fragte Susanne.
    »Gar nicht schlimm, sweetheart«, tröstete sie der Dozent, »wenn du aufpaßt. Und Felix hilft dir schon – er will nicht mehr trinken. Aber behandelt ihn nicht wie ein Kind oder einen Schwachsinnigen – trinkt ruhig ein Glas Wein in seiner Gegenwart.« Der Arzt streichelte Susannes Arm. »Du machst das schon richtig, honey – wenn du nicht wärst, hätte ich mit meinen Künsten längst einpacken können.«
    Als sie später für ein paar Minuten allein waren, sagte er zu Martin:
    »Mit

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