Die Wildkirsche. Erotischer Roman
der Ankunft des Fremden lief Leila, die Pudeldame, aufgeregt durch das Haus, verharrte immer wieder vor dem Gästezimmer und knurrte, wenn sie auf der anderen Seite Geräusche hörte. Sie war nicht einmal mit Leckereien zu beruhigen, die Lorraine ihr hin und wieder zuwarf.
Je mehr Lorraine darüber nachdachte, desto aufregender fand sie den Gedanken, dass Julien von nun an bei ihnen wohnte. Er würde gewiss spannende Geschichten über das Leben in der Wildnis zu erzählen haben. Vielleicht verstand er sogar die Sprache der Tiere?
Ihr Vater hatte einige Mühe gehabt, die neugierigen Kinder fortzuscheuchen, die vor dem Garten verharrt hatten und deren Rufe ohne Unterlass zu ihnen ins Haus gedrungen waren.
»Zeig uns den Wolf, Onkel Gabriel!«
Es hatte nicht lange gedauert, da hatten sich die Nachbarn über die Sprechchöre und das Geschrei beschwert. Und bald darauf hatte schließlich die ganze Stadt gewusst, dass der »Wilde« ins Haus Beaumont gezogen war. Lorraine hatte so manchen Schaulustigen durch das Fenster beobachtet, der offenbar hoffte, einen Blick auf den Wolfsmann erhaschen zu können. Gott sei Dank hatte sich die Aufregung bis zum Sonnenuntergang gelegt, da die meisten heimkehrten, um den Abend bei der Familie zu verbringen.
So setzte sich auch Beaumont nach einem anstrengenden Tag und einem Hausbesuch bei Madame Pirot an den Tisch in der Küche, wo Lorraine ihm das Abendessen auftat.
»Wenn wir gegessen haben, sehen wir nach Julien«, entschied Beaumont und tunkte ein Stück Brot in den Eintopf.
»Ganz wie du willst, Papa.«
Er lächelte. »Ich möchte, dass du dich mit ihm vertraut machst.«
»Das werde ich. Ich habe mir viele Gedanken zu ihm gemacht und bin sehr neugierig auf ihn. Nachher bringe ich ihm eine Schüssel mit meinem Eintopf. Denkst du, er wird ihn mögen?«
»Er wird dir dankbar sein. Wahrscheinlich hat er lange Zeit nichts zu essen bekommen. Er ist derart abgemagert, dass seine Rippen durch die Haut schimmern.«
Lorraines Neugierde wuchs. Nun, da er ausdrücklich gesagt hatte, sie solle sich mit ihm vertraut machen, freute sie sich, dem Fremden zu begegnen. Wie er wohl aussehen mochte? Sicherlich war er sehr muskulös, denn um in der Wildnis zu überleben, musste man sicherlich sehr stark sein.
Nachdem sie ihr Mahl beendet hatten und das Geschirr im Spültrog verschwunden war, begaben sie sich in den ersten Stock. Leila lief ihnen zwischen die Beine und kläffte ohne Unterlass. Als sie merkte, dass man sie ignorierte, sprang sie an Lorraine hoch und zerrte an ihrem Kleid.
»Ruhig, meine Kleine. Dir passiert doch nichts«, sagte Lorraine und bückte sich zu dem Energiebündel hinunter, um ihr mit einer Hand liebevoll den Kopf zu tätscheln. In der anderen hielt sie eine Schüssel mit heißem Eintopf.
»Ich gehe vor. Achte darauf, dass Leila im Flur bleibt, sie würde uns nur stören.« Mit diesen Worten betrat Beaumont den Raum.
Lorraine folgte ihm und schlug rechtzeitig die Tür hinter sich zu, damit Leila nicht durch den Spalt schlüpfte. Die Hündin heulte empört auf, wie sie es immer tat, wenn man sie aussperrte. Dann blickte sich Lorraine im Gästezimmer um. In dem Bett, das am Fenster stand, lag eine ausgemergelte Gestalt, die wohl der Wilde sein musste, äußerlich jedoch nicht im Geringsten ihrer Vorstellung eines Wilden entsprach. Er wirkte sehr drahtig, was aber wohl daran lag, dass er, wie ihr Vater angedeutet hatte, unterernährt war. Unsicher trat sie näher. Leilas Kläffen weckte Julien, der sich zunächst verwirrt umsah, dann Lorraine und ihren Vater erblickte, sich sogleich aufbäumte, den Kopf wie ein Besessener von einer Seite zur anderen warf und Laute ausstieß, wie sie die junge Frau noch nie gehört hatte. Lorraine schrak zurück. Ihr Blick wanderte zu den gespannten Stricken, deren Enden um seine Hand- und Fußgelenke lagen und um die Bettpfosten gewickelt waren. Sie sah die zerschundene Haut, den sich windenden Körper und die aufgerissenen Augen, die sie anstarrten.
»Habe keine Angst, Julien. Ich bin es, Doktor Beaumont.
Ich werde dir nichts tun.«
Er griff nach einem Laken und breitete es mit einem entschuldigenden Blick zu Lorraine über Juliens Körper aus. »Verzeih, mein Kind.«
Lorraine begriff, worauf er anspielte. Natürlich glaubte ihr Vater, dass eine junge, anständige Dame wie sie noch nie einen nackten Mann gesehen habe und dieser Anblick sie verstören würde.
»Ich möchte gerne, dass du Julien kennenlernst«, sagte
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