Die Wildkirsche. Erotischer Roman
Seufzen an den Tisch. Es war ihm anzusehen, dass ihn Sorgen plagten.
»Papa, sag mir bitte, wenn ich dir helfen kann.«
Er hob die Hand. »Es ist alles in bester Ordnung, Lorraine. Ich bin lediglich etwas erschöpft.«
»Erschöpft von was ?«
Er lachte heiser. »Dein Vater hat eine Entscheidung getroffen, die unser Leben verändern wird.«
»Hat es etwas mit diesem Mann zu tun, den du mitgebracht hast?«
Er nickte und deutete auf den Stuhl neben sich.
»Bitte sehr«, sagte sie und reichte ihm einen dampfenden Pott, wischte sich die Hände an der Schürze ab und setzte sich mit vor Neugier funkelnden Augen an den Tisch.
»Ich danke dir, mein Liebling.« Beaumont atmete das Aroma ein, schloss genießerisch die Augen und nippte an der Tasse.
»Wer ist der Herr, der Giffards Geduld strapazierte? Ist er ein Gast? Ein Patient? Oder hat er einfach nur zu viel getrunken und schläft seinen Rausch aus?«
Beaumont stellte die Tasse ab. »Nein, er ist kein Trunkenbold. Mach dir deswegen keine Sorgen.«
»Aber wer ist er dann?«
»Genau genommen ist er sowohl Gast als auch Patient.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Unser Gast hat ein sehr trauriges Schicksal zu beklagen. Er lebte lange ohne menschlichen Einfluss in den Wäldern. Gott allein weiß, was er alles durchmachte, bevor man ihn fand.«
»In den Wäldern?«
»Es mag für unsere Ohren unglaublich klingen. Noch weniger können wir uns vorstellen, was es heißt, in der Isolation aufzuwachsen, da der Umgang mit anderen Menschen zu unserem täglichen Leben gehört.«
Beaumont versuchte Lorraine die Situation des Fremden zu erklären. Schon bald machte sie die Geschichte sehr betroffen und sie empfand Mitleid für die arme Kreatur, die keine Menschenseele auf der Welt hatte, die ihr als Freund zur Seite stand. Staunend hörte sie den Ausführungen ihres Vaters zu, der ihr seine Theorien in allen Einzelheiten schilderte, und entwickelte dabei immer mehr den Drang, ihn bei seinem Vorhaben zu unterstützen.
»So beschloss ich, ihn aufzunehmen. Ich konnte nicht anders handeln«, endete er und warf ihr einen fragenden Blick zu, als erwartete er ihren Segen.
Lorraine war verunsichert. Ein fremder Mann in ihrem Heim? Schon oft hatte ihr Vater Patienten über Nacht im Haus behalten, manchmal sogar über mehrere Tage und Wochen. Sie waren jedoch schwer krank gewesen und nach ihrer Genesung heimgekehrt. In diesem Fall verhielt es sich anders. Allem Anschein nach würde der Fremde auf nicht absehbare Zeit bleiben. Es war zu früh, sich ein Urteil zu bilden. Natürlich würde die Umstellung schwer werden und einige Zeit in Anspruch nehmen. Wenn damit jedoch einem Menschen geholfen war, würde sie sich schon irgendwie damit arrangieren.
»Wie heißt denn unser Gast?«
Sichtlich erleichtert darüber, dass Lorraine keinen Einspruch erhob, zog Beaumont ein verschmutztes Stoffstück aus seiner Tasche und hielt es ihr hin. Zögerlich nahm sie es und betrachtete es stirnrunzelnd. Der Stoff schimmerte grau. Vermutlich war er einmal weiß gewesen.
»Ich habe ihn Julien genannt. Dieses Tuch hatte er an seinen Lendenschurz geknotet. Es scheint sein einziger Besitz zu sein. Siehst du die eingestickten Initialen? J.U.L.«
Die blauen Stickereien gingen in dem schmutzigen Grau beinahe unter.
»J.U.L? Was soll das bedeuten?«
»Ich nehme an, es handelt sich um eine Abkürzung. Fest steht, dass es mit diesem kleinen Stückchen Stoff eine Bewandtnis hat. Er reagierte aggressiv, als ich es ihm wegnahm.«
»Was macht dich sicher, dass es ihm gehört? Vielleicht hat er es jemandem gestohlen oder es irgendwo gefunden? Sieh nur, es trägt Spitzen am Rand. Das Tuch war sicherlich teuer.« Sie reichte es Beaumont, der es wegsteckte.
»Im Prinzip ist alles möglich. Hoffen wir, dass wir eines Tages Antworten auf unsere Fragen finden.«
3. KAPITEL
Es roch nach Eintopf in der kleinen Küche des Hauses Beaumont. Seit die Haushälterin Amelie die Familie vor einigen Wochen verlassen hatte, um eine alte Liebe zu heiraten, gehörte es zu Lorraines Pflichten, jeden Abend eine warme Mahlzeit auf den Tisch zu bringen. Sie hatte die Reste der Vortage in einen Topf geworfen, Wurst klein geschnitten und dazugegeben und schließlich einen Eintopf daraus zubereitet, dessen würziger Geruch sich im ganzen Haus ausbreitete. Sie hoffte, dass sich ihr »Gast« mit diesem einfachen Mahl zufriedengab und das Gemüse nicht verschmähte, denn sie fürchtete, dass ein Wolfsmann Fleischkost bevorzugte.
Seit
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