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Die Wildkirsche. Erotischer Roman

Die Wildkirsche. Erotischer Roman

Titel: Die Wildkirsche. Erotischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
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die er innerhalb der letzten Monate gemacht hatte. Mittlerweile hatte er auch seine Scheu vor Kleidung abgelegt. Das Gefühl des weichen Stoffes auf seiner Haut gab ihm nicht länger das Gefühl von Beengtsein. Im Gegenteil, die kecken Kniehosen, die edlen Röcke und die rüschenverzierten Hemden gefielen ihm. Trug er sie, konnte er sich unter den Menschen bewegen, ohne unangenehm aufzufallen. Sie hielten ihn für einen der ihren und bemerkten seine Unsicherheit nicht. Kleidung, so hatte er festgestellt, war etwas ungemein Praktisches. Im Winter verhinderte sie, dass er fror, sie schützte vor Regen, und wenn es einmal zu heiß wurde, konnte er einen Hut aufsetzen, der ihm die Hitze erträglich machte.
    Auch in anderer Hinsicht hatte sich Julien weiterentwickelt. Während er sich früher in Lorraines Gegenwart kaum hatte zurückhalten können und am liebsten über sie hergefallen wäre, um ihr die Kleider vom Leib zu reißen, so war aus ihm mit der Zeit ein geduldiger und empfindsamer Liebhaber geworden. Juliens Gefühle für sie waren tief und aufrichtig. In ihrer Gegenwart fühlte er sich selbstbewusst. Nachts, wenn Beaumont schlief, kam sie oft in sein Zimmer, schmiegte sich an ihn und liebte ihn, bis die Sonne aufging. Es war abzusehen, dass sich ihre Beziehung nicht ewig würde geheimhalten lassen. Beaumont beobachtete die Entwicklung mit Argusaugen. Zwar wusste er nichts von ihren heimlichen Stelldicheins, doch er schien zu spüren, dass mehr zwischen ihnen bestand, als das bloße Auge sah. Eines Abends bat er schließlich Julien um ein klärendes Gespräch im Garten.
    »Was für eine herrliche Abendluft«, sagte der Doktor, der auf der kleinen Holzbank an der Hauswand Platz genommen hatte, und atmete tief durch. Er schlug die Beine übereinander, faltete die Hände und blickte zu der Mondsichel auf, die strahlend am Himmel prangte.
    Julien tat es ihm gleich und sah den Doktor fragend an. Dieser griff in seine Tasche, um eine kleine Dose und seine verzierte Pfeife herauszuholen. Er öffnete die Schatulle und kippte den Tabak in den Porzellankopf. Dann nahm er ein Schwefelholz zur Hand und zündete die Pfeife an.
    »Ich bin vielleicht ein alter Mann, aber deswegen bin ich weder weltfremd noch blind.« Ein Schmunzeln umspielte seine Lippen, als er einen Zug nahm.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Denkst du, ich wüsste nichts von den Reizen meiner Tochter? Sie ist im besten Heiratsalter und hübsch ist sie obendrein. Jeder junge Mann in der Stadt wirft ihr vielsagende Blicke zu, anfangen bei Monsieur Alan. Du bildest da keine Ausnahme.«
    Verschämt starrte Julien zu Boden. Er fühlte sich ertappt. »Ich mag sie sehr«, gab er zu.
    »Das verdenke ich dir nicht.« Beaumont klopfte ihm auf die Schulter. »Aber als dein guter Freund und Lehrer sollte ich ehrlich zu dir sein. Mache dir nicht allzu große Hoffnungen. Jetzt sieh mich nicht so entsetzt an, ich meine es nur gut mit dir.«
    Julien schüttelte den Kopf. Er schätzte Beaumont sehr, der wie ein Vater für ihn war. Gott allein wusste, wie viel er diesem Mann zu verdanken hatte. Dennoch konnte er Lorraine nicht aufgeben. Sie war in seinem Herzen. Selbst wenn Beaumont ihn ans Ende der Welt jagte, würde sie ein Teil von ihm bleiben.
    »Gabriel, ich ...«
    »Warte ab, ich bin noch nicht fertig. Erinnerst du dich an Etienne Poméroy?«
    »Natürlich. Er war ein Frauenschänder, den sie eingesperrt haben. Recht so!«
    »Jeder Mann und jede Frau in Gagnion kennt seine Geschichte. Nur die wenigsten wissen jedoch, dass er Lorraine den Hof machte, kurz bevor er inhaftiert wurde. Ich selbst habe es erfahren, weil sich Lorraine mir anvertraute. Nun stell dir vor, sie hätte ihn geheiratet! Sie wäre an dem Skandal zerbrochen.«
    »Ich bin aber nicht wie Etienne. Ich würde ihr niemals wehtun.«
    Beaumont lächelte gütig. »Das weiß ich, Julien. Dennoch will ich nur das Beste für mein Kind, andernfalls wäre ich ein schlechter Vater. Sie verdient einen Mann, der ihr ein gutes Leben bietet, keinen Hallodri, jedoch auch keinen armen Schlucker.«
    »Ich biete ihr alles, was ihr Herz begehrt! Meine Wünsche stelle ich hinten an.«
    »Der Gedanke ehrt dich, doch wie möchtest du ihre Wünsche erfüllen? In dieser Welt braucht ein Mann Geld, um seine Familie über die Runden zu bringen.«
    »Dann werde ich Geld verdienen!«
    »Ohne eine gute Ausbildung ist das unmöglich. Wo liegen deine Talente?«
    »Ich weiß nicht recht.« Über eine Berufung hatte er sich bisher keine

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