Die Wildkirsche. Erotischer Roman
Höhepunkt wäre der Tag ein Desaster.«
»Das heißt also, wir kommen ins Geschäft?« Chiks Augen blitzten voller Hoffnung.
»Ich habe keine andere Wahl. Die einzige Bedingung ist, dass Sie sich an meine Anweisungen halten. Ich werde versuchen zu retten, was noch zu retten ist.« Er schnippte mit den Fingern einen Diener herbei.
»Michel, besorgen Sie für Monsieur Julien das Wolfskostüm aus unserem Fundus und bringen Sie ihn anschließend zu seiner Garderobe.«
»Maître, ich fürchte, es ist keine mehr frei«, schnitt der Diener Fromage ins Wort. »Madame la Celon hat für sich und ihre Töchter alle Räume beansprucht.«
»Dann finden Sie einen Raum, in dem er niemanden stört und genügend Platz hat, sich umzukleiden. Beeilen Sie sich. Die Tanzenden Himmelsstürmer stehen bereits auf der Bühne. Nach ihrem Auftritt werde ich für eine kurze Pause sorgen, mehr Zeit bleibt uns nicht.«
»Ich habe verstanden, Maître.« Michel verneigte sich und wollte nach Juliens Arm greifen, als dieser einen Schritt zurückwich und ihn argwöhnisch fixierte.
»Geh nur!«, sagte Chik und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter, bevor er mit Fromage in der anderen Richtung verschwand.
Julien fühlte sich unbehaglich. Es wäre ihm lieber gewesen, der Maître hätte den Auftritt abgesagt.
»Kommen Sie, Monsieur, hier entlang.«
»Wo geht Chik hin?«
»Ich nehme an, er wird sich mit dem Maître die Tanzschau ansehen und dabei die Bühne begutachten. Machen Sie sich keine Sorgen.«
Julien nickte und verdrängte sein Misstrauen. Viel hing vom heutigen Tag ab! Er durfte die Chance, die sich ihm hier bot, nicht ungenutzt verstreichen lassen. Eiligen Schrittes folgte er Michel durch den Flur, bis sie in einen zweiten Gang bogen und vor einer unauffälligen Tür im Halbdunkeln stehen blieben.
»Bitte warten Sie hier, ich bin gleich bei Ihnen«, sagte der Diener, öffnete die Tür und schlüpfte durch einen Spalt nach drinnen.
Julien konnte einen Blick ins Innere des Raumes erhaschen, in dem sich prachtvolle Stoffe stapelten. Als Michel bald darauf heraustrat, drückte er ihm einen Beutel in die Hände und winkte ihn mit sich.
»Was ist das?«
»Ihr Kostüm, Monsieur.«
Der Diener führte ihn in ein Zimmer im ersten Stock und verabschiedete sich mit dem Versprechen, ihn abzuholen, sobald alle Vorbereitungen getroffen seien. Julien war froh darüber, einen Augenblick allein zu sein. Die Hektik und das bunte Treiben um ihn herum hatten ihn nervös gemacht. Staunend sah er sich in dem kleinen Raum um. Sein Blick fiel auf die großen Spiegel, die Schmuckmotive auf den weißen Wandpaneelen und die filigranen Konturen des Kamins. Dieses Gemach und seine detailreichen Dekorationen waren ein Festmahl für die Augen. Er hatte nie etwas Beeindruckenderes gesehen, das von Menschenhand geschaffen worden war. Und doch schien allem eine unerklärliche Natürlichkeit inne zu sein. Im Licht der Kerzen, die Michel angezündet hatte, wirkte der Raum sogar heimelig. Julien fühlte sich auf eine seltsame Weise geborgen. Gern hätte er diesen Augenblick noch ein wenig ausgekostet, doch er wusste, dass Chik und dieser unsägliche Fromage ungeduldig auf ihn warteten. So öffnete er den Beutel und zog eine lederne Hose, Handschuhe mit Krallen und eine seltsame, leicht zerdrückte Ledermaske heraus. Ungläubig starrte er die skurrile Kostümierung an, die Michel für ihn ausgewählt hatte. Doch dem Anlass mochte sie angemessen sein. Schließlich würde er als Wolfsmensch vor den Grafen treten und musste wie ein solcher aussehen. Langsam entkleidete er sich und streifte die dunkle Lederhose über, die sich eng an seinen Hintern schmiegte. Er stellte sich vor den Spiegel, um sich von allen Seiten zu betrachten und bemerkte einen buschigen Schwanz, der an seinem Gesäß baumelte. Bei dem Anblick konnte er sich ein Lachen nicht verkneifen. Dann bemerkte er, dass etwas Wichtiges fehlte, und sah noch ein mal in den Beutel, in der Hoffnung es dort zu finden. Aber dieser war leer. Michel hatte ihm kein Hemd mitgegeben! Das bedeutete, er würde mit freiem Oberkörper auf der Bühne stehen. Er hoffte nur, dass die anwesenden Damen nicht allzu entsetzt reagierten, wenn sie die nackte Haut sahen. Ihm selbst war der Gedanke ebenso unangenehm, obgleich er einen Großteil seines Lebens ohne Kleidung verbracht hatte. Doch nun, als zivilisierter Mensch, sah er die Dinge anders. Vorsichtig legte er die Maske an, die den oberen Teil seines Gesichts bedeckte und
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