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Die Wildkirsche. Erotischer Roman

Die Wildkirsche. Erotischer Roman

Titel: Die Wildkirsche. Erotischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
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den Verstand verloren!«, keifte eine Frau. Ihre herrische Stimme weckte Erinnerungen, die er am liebsten für immer aus seinem Gedächtnis verbannt hätte. Vor seinem geistigen Auge erschien ein kreischender Mob. Er sah weinende Mädchen, ängstliche Frauen und fluchende Greise. Jungen bewarfen ihn mit Steinen. Männer drohten mit den Fäusten.
    Nein, er hatte sie nicht vergessen. Diese erniedrigenden Momente, die Hilflosigkeit, weil er sich niemandem hatte verständlich machen können. Diese Leute hatten nie einen Menschen in ihm gesehen, nur ein Tier, das sie anstarren, schlagen und bespucken konnten. So wie diese abscheulichen Knaben, die sich einen Spaß daraus gemacht hatten, seinen Körper durch das Gitter hindurch mit Stöcken wund zu schlagen, wohl wissend, dass er sich nicht gegen sie wehren konnte. Er schüttelte den Kopf, versuchte die Bilder fortzuwischen, weil sie unerträglich waren, ihn quälten. Aber sie blieben, und das Gefühl des Eingesperrtseins wandelte sich in Ohnmacht. Ihr Lachen erklang in seinen Ohren, als wäre es gestern gewesen. Monster, Biest – so hatten sie ihn genannt. Das alles war lange her, gehörte nicht in sein neues Leben, doch in diesem Moment schien die Vergangenheit präsenter denn je. Erneut saß er in einem Käfig, vor einer schaulustigen Menge, die nur das sah, was sie sehen wollte. Wohin er blickte, entdeckte er glotzende Adlige, die ebenso wenig Mitleid kannten wie die einfachen Bürger in den Städten, die er mit den Gauklern bereist hatte. Egal wo er gewesen war, ob in Paris oder Orléans, es war überall das gleiche Bild.
    Chik stolzierte wie ein Pfau über die Bühne und wurde mit stürmischem Beifall belohnt. Wo Fromage und seine Helfer waren, wusste Julien nicht.
    Ein schmerzhafter Druck breitete sich in seiner Brust aus. Es fühlte sich an, als hätte ihm jemand einen schweren Stein auf die Brust gelegt. Er konnte nicht mehr atmen! Und diese Hitze! Er glaubte innerlich zu verbrennen, falls er nicht vorher erstickte! Dann begann sich alles um ihn herum zu drehen. War es die Gnade einer Bewusstlosigkeit, die ihn heimsuchte? Mit letzter Kraft drückte er seinen Körper gegen das Gitter, um einen Sturz zu verhindern. Da bemerkte er, dass es nachgab. Nicht viel, aber immerhin spürbar. Dies war kein richtiger Käfig, es war nur eine Attrappe. Eine Requisite für ein Bühnenstück. Hoffnung keimte in ihm auf. Vielleicht konnte er sich befreien.
    »Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich präsentiere Julien, den berühmten Wolfsmenschen! Früher lebte er in den Wäldern, heute ist er zu Ehren seiner Hochgeboren hier, auf dass wir alle sehen mögen, zu welchen Streichen die Natur fähig ist. Ist er ein Mann oder ein Tier? Dies zu beurteilen sei den hohen Herrschaften selbst überlassen!«
    Aus dem Augenwinkel beobachtete Julien jeden Schritt von Chik, der hinter eine Baumkulisse trat und einen langen Stock hervorholte, mit dem er entschlossen zu seinem Käfig marschierte. »Befreien wir das Biest aus seinem Zwinger, auf dass es seinem Meister begegne!«
    Chik zog den Riegel zurück und Julien nutzte seine Chance. Ohne zu zögern stieß er die Tür auf, sprang nach draußen und verschwand hinter den Kulissen, um auf dem schnellsten Weg zum Bühnenausgang zu gelangen. Doch Fromage und Michel stellten sich ihm erneut in den Weg.
    »Zurück!«, knurrte der Maître. Unbeeindruckt stieß Julien den Festmeister zur Seite und warf sich mit Michel zu Boden, der sich verängstigt unter ihm wand, als hätte ihn ein gefährliches Raubtier angefallen.
    »Nicht! Maître, helfen Sie mir!«
    Wütend bohrte Julien die hölzernen Krallen in die Schultern des Dieners, da richtete sich Fromage auf, kam energisch auf ihn zu, griff nach seinem Haar und riss seinen Kopf brutal nach hinten. Ein schmerzerfüllter Schrei drang aus Juliens Kehle.
    »Merde! Die Herrschaften werden unruhig, weil sie merken, dass alles außer Rand und Band gerät. Das ist allein deine Schuld. Ich weiß genau, was du damit bezweckst. Du willst mir Schaden zufügen. Aber von dir lasse ich mich nicht demütigen, du Missgeburt. Diese Feier wird der Höhepunkt meiner Karriere!«
    Fromage zerrte ihn auf die Bühne. »Nur ein kleiner Zwischenfall, verehrte Damen und Herren, es geht sofort weiter. Die Natur dieses Wilden ist unberechenbar, wie sich gezeigt hat. Genau das macht ihn so einzigartig, nicht wahr?«
    Erneut ging ein Raunen durch die Menge, als Julien in gekrümmter Haltung von Fromage vorgeführt wurde. Es

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