Die Wildkirsche. Erotischer Roman
Augen, die Art, wie er den Kopf bewegte, alles verstärkte Juliens Gefühl der Vertrautheit, sodass er nicht länger an einen Zufall glauben mochte. Vielleicht wusste dieser Mann mehr über ihn und seine Vergangenheit.
»Sagt, Monsieur de Faucet, kann es sein, dass wir uns schon einmal begegnet sind?«
De Faucet hob die geschwungenen Augenbrauen, sah ihn unverwandt an und lachte abfällig. »Nein, das würde ich wissen. Eine Gestalt wie Sie wäre mir wahrhaftig in Erinnerung geblieben.«
»Ich bin mir aber sicher«, beharrte Julien.
»Wie kommen Sie auf diesen Gedanken?«
»Es ist ... ein Gefühl. Bitte haltet mich deswegen nicht für verrückt.«
»Und wo soll diese Begegnung stattgefunden haben, wenn ich fragen darf ?« Seine Stimme klang amüsiert und überheblich zugleich.
Julien wusste keine Antwort darauf. Sein Kopf begann zu schmerzen. De Faucet schien nicht sonderlich daran interessiert, seinen Erinnerungen auf die Sprünge zu helfen. Im Gegenteil, er wirkte gelangweilt von der Unterhaltung und schien froh darüber, als er einen jungen Mann mit feurigen Haaren entdeckte, der am Buffet stand und ihn zu sich winkte.
»Entschuldigen Sie mich, werter Julien. Man verlangt nach mir. Ich empfehle mich.«
»Natürlich«, sagte Julien enttäuscht und blickte der eleganten Erscheinung nach, die sich vor dem Comte verneigte, ihren Fächer öffnete und sich hastig frische Luft auf ihrem Weg zum Buffet zuwedelte.
»Machen Sie sich nichts daraus, nicht jedermann von hohem Stand weiß sich gebührend zu benehmen«, sagte Antoine. »Möchten Sie mit uns anstoßen?«
»Nein, danke. Ich mache mich nun am besten auf den Heimweg.« Julien bedankte sich bei seinem Gastgeber für das interessante Gespräch. Dieser drückte sein Bedauern über seinen kurzen Besuch aus und überredete ihn glücklicherweise nicht dazu, länger zu bleiben. Erleichtert darüber, dass die Begegnung mit dem Grafen nun doch ein recht schnelles Ende gefunden hatte, lief Julien an Tüll und Seide vorbei auf den Ausgang zu, wo er jedoch von Chik mit zwei Gläsern Champagner in den Händen abgefangen wurde. Eines davon reichte er Julien.
»Trinken wir auf den Grafen und unseren Erfolg.«
»Ich möchte nun gehen!« Er war es leid, ständig aufgehalten zu werden. Außerdem hatte ihn die Begegnung mit de Faucet stark aufgewühlt.
»Nun zier dich nicht. Den guten Tropfen haben wir uns redlich verdient.«
Missmutig nahm er das Glas und nippte daran.
»Wozu die ganze Eile, wenn wir hier die besten Geschäfte machen können?«
Ein warmes Gefühl breitete sich in Juliens Kehle aus, nachdem er den Champagner getrunken hatte. Benommen schüttelte er den Kopf. »Mir ist ein wenig heiß.«
»Das kommt vom Champagner«, versicherte Chik mit einem Grinsen.
»Siehst du die Adlige mit dem prachtvollen Kopfschmuck? Ihr werter Name ist Sassette de Froi. Sie hat ein Auge auf dich geworfen.«
Julien blickte zu der Frau, die ihre untere Gesichtshälfte hinter einem Fächer verbarg und ihm keck zuzwinkerte.
»Gewähre ihr deine Gunst, und sie wird uns beide reichlich entlohnen.« Er hielt einen Beutel gefüllt mit Talern hoch und ließ diesen klimpern. »Dies hat sie im Voraus gezahlt.«
»Ich sagte dir bereits, dass ich ...«
»Die Situation hat sich nun aber ein wenig geändert«, schnitt Chik ihm ins Wort.
»Wie darf ich das verstehen?«
»Die Küken, die mich vorhin ansprachen, sind nicht im Geringsten so einflussreich wie es Madame de Froi ist. Du solltest dir gut überlegen, ob du es dir mit ihr verscherzen möchtest.«
»Auch wenn sie einflussreich ist, was soll sie mir schon anhaben können? Ich halte mich gar nicht in ihren Kreisen auf.«
»Das ist auch nicht nötig. Sie könnte dir großen Schaden zufügen, dein Bild in der Öffentlichkeit ruinieren. Und nicht nur deines, denk auch an Beaumont.«
Juliens Augen weiteten sich. »Sie würde Beaumont hineinziehen, nur weil ich mich ihr verweigere?« Fassungslos schüttelte er den Kopf. »Was ist das nur für eine Person.«
»Menschen, die viel Macht haben, haben wenig Skrupel, mein Freund. Ich dachte, diese Lektion hättest du bereits gelernt. Nun sei ein braver Junge und spiele ein wenig mit ihr. So schlimm wird es nicht werden. De Froi hatte schon viele Liebhaber, vielleicht kann sie dir noch etwas beibringen.«
Wenn es stimmte, was Chik sagte, und sogar Beaumont unter seiner Ablehnung zu leiden hätte, welche Wahl blieb ihm dann noch? Er durfte nicht zulassen, dass sein Ziehvater, dem er
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