Die Wildnis
meinem ganzen Leben bin ich noch nie vor etwas umgekehrt, und das hab ich auch jetzt nicht vor.«
Er öffnete eine längliche Satteltasche, die an der grauen Stute hing, die er in Dyea gekauft hatte. Daraus holte er ein Lederetui und aus dem Etui eine Axt.
»Außerdem hab ich fast den Eindruck, ihr Jungs habt mirnicht richtig zugehört, als ich euch von mir erzählt habe. Ich hab schon mein halbes Leben auf Booten verbracht. Als ich klein war, war ich so viel am Hafen, dass man mich den Matrosenjungen genannt hat.«
Jack schulterte die Axt und nahm die Zügel der Pferde wieder in die Hand. »Geht zu den Männern, die schon Boote haben, die gerade am Ablegen sind. Versucht uns noch ein, zwei Äxte zu kaufen und eine Säge dazu. Das kostet viel weniger als ein Boot. Dann kommt und sucht mich. Ich fang schon mal an, ein paar Kiefern zu fällen.«
Goodman setzte die Brille wieder auf und drückte sie fest, als sei er nicht sicher, ob er Jack richtig sehen konnte.
»Willst du etwa, dass wir uns selbst ein Boot bauen?«
Jack zwinkerte ihm zu. »Bist ein fixes Kerlchen, Jimmy.«
Sloper hatte seine Jacke ausgezogen und hängte sie sich über den Arm. Heute schien die Sonne warm, zumindest im Vergleich zu dem, was sie in letzter Zeit gewohnt waren. Es würde noch etwas dauern, bis sie sich wieder richtig aufgewärmt hatten.
»Wenn du sagst, du kennst dich mit Bootsbau aus, dann glaube ich dir, Jack«, sagte der kräftige Steinmetz. »Und gegen ein bisschen Arbeit hab ich noch nie was gehabt. Aber du sorgst dich doch wegen dem Wintereinbruch. Wird uns das nicht zuviel Zeit kosten?«
»Ich will dir nichts vormachen, Merritt«, meinte Jack, »Damit hab ich selbst nicht gerechnet. Aber bei den Bootsbauern da unten stehen die Leute Schlange. Wenn wir hart arbeiten und keine Fehler machen, könnte es sogar schneller gehen, unser Boot selber zu bauen.«
Damit ließ er sie mit ihren jeweiligen Aufgaben zurückund ging mit den Pferden im Schlepptau Richtung Waldrand, eine fröhliche Melodie auf den Lippen und die Axt über der Schulter. Er sah bereits das Boot, das er bauen würde, vor sich, jeden Balken und jede Nut. Und er wusste auch schon, welchen Namen er ihm geben würde.
Die Yukonschönheit .
Erst der See, dann der Abschnitt des Yukon, den man Thirty-Mile-River nannte, und wenn sie es vor dem Frost nach Dawson schaffen wollten, würden sie außerdem die Stromschnellen bezwingen müssen, die man wegen der Gischt White Horse nannte. Das hatte er seinen Gefährten noch nicht eröffnet. Es hieß, die meisten Menschen, die über die Stromschnellen gefahren wären, wären ertrunken oder zumindest halb ersoffen und hätten aufgegeben. Aber das musste sie jetzt noch nicht beunruhigen.
Schließlich hatte er, wie gesagt, sein halbes Leben im Boot verbracht. Ein bisschen Gischt konnte ihm da keine Angst machen.
Wie schlimm konnte es schon sein?
KAPITEL 3
DIE YUKONSCHÖNHEIT
Vier Tage Bauen, und die Yukonschönheit war ein gutes Boot geworden. Das konnte Jack sehen, und es machte ihn stolz. Er wusste jedoch, dass sie noch größere Prüfungen als der Lake Linderman erwarteten. Außerdem müsste er irgendwann Merritt und Jim erklären, wie heimtückisch der nächste Abschnitt ihres Weges sein würde.
Sie überquerten den See in guter Stimmung, wobei sie sich beim Rudern und Schöpfen abwechselten. Zwei ruderten immer nebeneinander auf der rauhen Querbank sitzend, während der Dritte dafür zuständig war, dass sich möglichst wenig Wasser in ihrer kleinen Nussschale ansammelte. Das Wasser umspülte schon ihre Füße, doch wenn sie ständig schöpften, wurde es nie zu tief. Jack hatte mehrere dicke Querstreben in das Boot eingebaut, auf denen ihre Ausrüstung lag, damit sie nicht vom Wasser nass wurde, das sie unweigerlich aufnehmen würden. Es war zwar das erste Boot, das er je gebaut hatte, aber er war ein erfahrener Seemann und überzeugt, dass ihres das seetüchtigste Gefährt auf dem ganzen Lake Linderman war.
Sie hatten die Pferde zurücklassen müssen und sie bei den Bootsbauern am Ufer gegen Werkzeug und eine gute PortionLebensmittel getauscht. Der Abschied hatte Jack geschmerzt, denn sie waren kräftige Tiere, und er ahnte, dass ihnen die Kraft der Pferde bald fehlen würde.
Auf dem See schimmerte dünnes Eis.
»Wir brechen ganz leicht durch«, meinte Merritt. Das Eis knirschte leise am rauhen Rumpf des Bootes entlang.
»Bis jetzt schon«, sagte Jack. Er zog an den Riemen, genoss die rhythmische Bewegung und
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