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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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losfahrensehen und wie viele von denen es durch die Stromschellen zum Thirty-Mile-River und dem restlichen Yukon geschafft hatten.
    Im Augenblick war es jedoch das Beste, solche Gedanken aus dem Hirn zu vertreiben. Der Fluss hatte sie jetzt im Griff, sie hatten sich seiner Führung und seinem Toben ausgeliefert, und jetzt zählte nur noch das Überleben.
    Zuerst sah der Fluss fast ölig aus, er floss schnell, aber ohne von Felsen durchbrochen zu sein. Die Yukonschönheit trieb angenehm dahin, wobei Merritt vorne die Richtung ansagte und Jack sein improvisiertes Ruder hin und her schwang, um das Boot zu steuern. Links und rechts von ihnen wurden die Wände der Schlucht immer steiler, das Ufer verschwand und das Wasser wurde in eine enger und enger werdende Klamm gepresst.
    Der Fluss begann zu toben und zu brüllen. Die Felswände schossen vorbei, und Jack blickte auf und sah die Zuschauer wie Schatten hoch über ihnen. Vielleicht waren es aber auch nur gleichgültige Bäume. Jedenfalls fühlte er sich mit seinen Freunden allein auf dem Fluss.
    Sie ruderten kräftig durch die erste heftige Stromschnelle. Das Boot durchschnitt die Wellen und bebte, als es über einige Steine unter Wasser schrappte. Jack spürte das Zittern in seinen Knien und stellte sich lieber nicht vor, was passieren würde, wenn der Strom das einfache Boot in Stücke reißen würde.
    »Nach links!«, rief Merritt und Jack versuchte, sie in die genannte Richtung zu bugsieren. Ein kuppelförmiger Stein blitzte rechts von ihnen vorbei, der Fluss umtoste ihn wütend.
    Jim ruderte, seine Augen vor Furcht geweitet hinter seiner kleinen Lehrerbrille, die mit Gischt aus dem rasenden Flussbesprüht war. Er starrte an Jack vorbei in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und wünschte sich vielleicht, niemals einen Fuß in dieses Boot gesetzt zu haben. Jack grinste ihn an, aber Jim schien es nicht zur Kenntnis zu nehmen.
    Jack fühlte, wie sein Puls raste, sein Herz pochte laut. Jeder Nerv schien angespannt zu sein, er vergaß fast zu atmen, während er darum kämpfte, sie in der Mitte des Flusses zu halten. Dort war das Wasser zwar am schnellsten, doch gleichzeitig war es die direkteste Route durch die Stromschnellen. Zumindest hoffte er das. In Wahrheit wusste er, dass jederzeit der Boden von ihrem Kahn weggerissen werden konnte.
    In solchen Augenblicken fühlte Jack sich unglaublich ängstlich, aber auch unglaublich lebendig. Ein so breites Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus, dass es weh tat, und er stieß einen lauten Freudenschrei aus. Einige Sekunden lang schien er seinen Körper verlassen zu haben, als beobachte er sich von irgendwo über oder hinter der Welt. Obwohl die Natur um ihn herum und gegen ihn tobte, fühlte er sich wie ihr Meister, kein Spielball wie Odysseus, sondern der Herr über den Fluss.
    Dann hörte er Merritt aufschreien und sah gerade noch die Arme des kräftigen Mannes herumfliegen. Die Bruchstücke seines Ruders wurden durch die Luft geschleudert und verschwanden hinter dem Boot. Der Stein, der Merritt überrascht und sein Ruder umgeknickt hatte, schabte nun bedrohlich knurrend am Bootsrumpf, während der Strom sie vorbeidrückte. Jack zog gerade noch rechtzeitig an der Steuerpinne, und dann waren sie durch die Stromschnellen, der Bug drehte sich langsam der linken Felswand der Klamm zu, während das Wasser um sie seinen Griff zu entspannen schien.
    »Gütiger Gott!«, stöhnte Jim.
    »Das war verdammt knapp«, stellte Merritt fest und klopfte Jim lachend auf die Schulter.
    »Noch nicht nachlassen«, warnte Jack. »Da kommt noch viel mehr.« Schlimmeres , dachte er. Aber was brachte es denn, es auszusprechen? Er hatte die Wildnis zwar noch nicht bezwungen, aber er würde sich, verdammt noch mal, auch nicht kleinkriegen lassen.
    Während sie den Thirty-Mile-River in Richtung der nächsten Stromschnellen hinabtrieben, hatten die Männer Gelegenheit, ihre Umgebung zu bestaunen. Es war ein wundersamer Ort. Die steilen Klammwände hatten hier und da weiße Flecken, wo noch Schnee auf den Steinkanten lag. Oben an den Steilwänden war wenig zu erkennen, bis auf ein paar Bäume, die über den Fluss hingen, als wollten sie gleich hineinspringen. Vögel kreisten am grauen Himmel über ihnen, das Rauschen des Flusses füllte ihre Ohren. Er verlief hier zwar ruhiger, hallte aber dennoch unaufhörlich zwischen den Wänden der Schlucht hin und her, ein ständiges Flüstern, das keine Stille kannte. In solcher Gefahr fühlte Jack

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