Die Winde von Darkover - 13
Mond ging unter. Melitta zitterte vor Kälte. Dann begann auch noch ein eisiger Regen zu fallen. Er schreckte sie auf. Sie mußte vor Sonnenaufgang verschwinden und sich verstecken, und wenn sie jetzt eine Scheibe einschlagen mußte, um Allira aus dem Schlaf zu scheuchen!
Da sah sie wieder ein dünnes Licht durch die Vorhänge schimmern. Eine schmale Hand erschien, griff nach dem Riegel und schob ihn zurück. Dann kam Allira in einem langen, wollenen Hemd und mit zerzaustem Haar an die Tür und schob sie auf. Ihre großen Augen blickten direkt in die Melittas.
Melitta hob die Hand, aber Allira schrie nicht. Sie legte nur erleichtert die Hand auf das Herz. „Ich wußte, daß du da bist, Melitta. Wie bist du hierhergekommen?“ flüsterte sie. Melitta machte lediglich eine Kopfbewegung. „Keine Zeit jetzt. Brynat…“
„Schläft mit einem Auge, wie eine Katze. Hast du eine Waffe?“
„Nein, keine, mit der ich ihn lautlos töten könnte. Und dann wären noch immer seine Männer…“ Allira zuckte zurück. Sie wußte, daß ihre Schwester auch das überlegt - und verworfen hatte.
„Den Geheimgang zur alten Felsenstadt. Ist der schon entdeckt?“
„Nein. Aber den kennst du nicht. Du würdest dich verirren. Und fändest du den Weg hinaus, dann würdest du in den Bergen umkommen. Wohin wolltest du gehen?“
„Nach Carthon. Ich weiß nicht, wo es liegt. Weißt du es?“
„Es ist eine Stadt hinter den Pässen, die früher den Sieben Domänen gehörte. Melitta, wagst du das wirklich?“
„Es ist besser, als hier zu sterben“, erwiderte Melitta unumwunden. „Du scheinst es hier ertragen zu können, obwohl…“
„Ich will nicht sterben.“
Allira schluchzte, und Melitta fuhr sie an, sich ruhig zu verhalten. Allira hatte keine Schuld, daß sie so schwach und zart war. Vielleicht war sogar der Schutz, den Brynat ihr gab, besser, als durch Geheimgänge und Wälder zu irren, Pässe zu überschreiten und in ferne Städte zu flüchten. Fast beneidete Melitta ihre Schwester um diese weibliche Schwäche, doch nur einen Augenblick lang.
Im Grunde tat ihr Allira doch leid, denn sie hatte das Schlimmste hinter sich, das ihr zustoßen konnte. Was hatte sie jetzt noch zu fürchten? Jetzt brauchte sie ihr Leben nicht mehr aufs Spiel zu setzen.
„Du mußt gehen, solange Brynat schläft“, flüsterte Allira. „Und die Posten kommen jede Nacht und sehen nach, ob ich ihn nicht umgebracht habe.“ Ein vages Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie das sagte.
Beide Mädchen schlüpften lautlos hinein. Brynat lag schnarchend in dem großen Bett. Melitta huschte an ihm vorbei.
Dann waren sie im reichgeschmückten Empfangsraum der Suite.
Um den Kamin standen geschnitzte Truhen und seltsame, ausgestopfte Tiere. Melitta drückte auf einen Knopf an einem Marmorschwert. Ein Stein glitt zur Seite und gab den Blick frei auf eine alte Treppe. Melitta drückte Alliras Hand, fand aber kein Abschiedswort, weil ihr plötzlich die Kehle wie zugeschnürt war. Worte nützten auch nichts. Entweder war sie bald in Sicherheit - oder tot.
„Die Posten vor meiner Tür glauben, ich sei noch in meinem Zimmer“, flüsterte sie noch Allira zu. „Du hast nichts gehört und nichts gesehen.“
Allira drückte ihre Schwester an sich und küßte sie. „Soll ich dir Brynats Messer holen? Er wird glauben, er habe es verloren, wenn er es nicht bei mir findet.“
Melitta nickte. Wenig später kehrte Allira mit einem langen, ungeschützten Messer zurück und schob es in Melittas Stiefeltasche. Und noch etwas hatte Allira. Es war in ein Stück Leinen eingewickelt - ein halber Laib Brot, ein Stück Röstfleisch, eine Handvoll klebriger Süßigkeiten. Lächelnd schob Melitta das Päckchen in ihre weite Manteltasche. „Vielen Dank, Lira, das wird mir einen Tag oder zwei weiterhelfen. Ich muß jetzt gehen. In drei Stunden ist es hell… Gib mir deine goldene Kette, wenn du nicht fürchtest, daß Brynat sie vermissen wird. Ich kann sie verstecken und damit bezahlen.“
„Das Amulett hat mich nicht beschützt“, antwortete Allira lächelnd und nahm die lange Kette ab. „Vielleicht bringt es dir mehr Glück, weil du mehr Mut hast als ich.“ Melitta drückte das Amulett an ihre Brust.
„Ich bringe es dir zurück“, versprach sie, gab Allira einen raschen Kuß und huschte die Treppe hinab. Sie hörte Allira seufzen, als das Licht erlosch und die Tür sich schloß. Sie war allein.
5.
„Bei Einbruch der Nacht müssen wir in Armida sein“, erklärte Colryn und
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