Die Winde von Darkover - 13
Mantel und schlief im Wald. Am Nachmittag des zweiten Tages hörte er Hufschläge und sah weit voraus einen einsamen Reiter. Dem folgte er. Die kleine Straße wurde zur Kiesstraße. Später sah er, daß vor dem Reiter noch mehrere große, sandhaarige Reiter waren. Einige ritten auf plumpen Packtieren. Alle trugen Mäntel von einem seltsamen Schnitt. Dann erkannte er sie als Trockenstädter von Shainsa oder Daillon, die von einem Handel in den Bergen nach Hause zurückkehrten. Gegen ein kleines Entgelt würden sie ihn in ihrer Gruppe mitreiten lassen. Das war ein zusätzlicher Schutz vor Nichtmenschen und Banditen.
Wenig später hatte er sie eingeholt. Er war Storn von den Stornhöhen und hatte nichts zu fürchten. Sie sagten, er könne bis Carthon mit ihnen kommen.
Er hoffte, Melitta möge ähnliches Glück haben. An die Burg, wo sein Körper in starrer Trance lag, wagte er nicht zu denken.
9.
Der Morgennebel wurde von einer heißen Sonne aufgesogen, als sie in Carthon einritten. Die Stadt sah unglaublich alt aus und war von Jahrtausenden ausgebleicht. Die alten, weitläufigen Häuser mit den dicken Mauern mußten schon unzähligen Stürmen getrotzt haben. Die Trockenstädter, die den ganzen Weg schweigsam, fast mürrisch zurückgelegt hatten, wurden zusehends fröhlicher. Einer der Männer begann sogar eine siebentönige Melodie in einem rauhen, gutturalen Dialekt zu singen, den Storn nicht verstand. Zum erstenmal in seinem Leben fühlte Storn nun, was Freiheit hieß und Abenteuer bedeutete. Er war ein Mann unter Männern, kein hilfloser Invalide. Obwohl ihn die ständige Sorge um Melitta begleitete und der Gedanke an Edric und Allira ihm das Herz schwermachte, spürte er fast so etwas wie Glück. Wenn Barron des Nachts einmal in Angst und Staunen erwachte und sich nicht zurechtfand, dann gelang es ihm immer wieder, ihn zu beschwichtigen. Trotzdem hatte er stets den festen Eindruck, von Barron beobachtet, herausgefordert und abgelehnt zu werden. Aber er wußte auch, daß er Barrons wegen den Terraner nicht an die Oberfläche gelangen lassen durfte, denn in einer Trockenstadt wurde nicht einmal jeder Darkovaner zugelassen. Die meisten der Bürger hatten von Außenweltlern noch nicht einmal gehört. Die früheren Herren von Carthon hatten sich schon lange aus der Stadt in die Berge zurückgezogen. Nun herrschten dort Söldnerbanden über die Reste von einem Dutzend Kulturen. Storn rechnete damit, daß er hier vielleicht Söldner anwerben konnte, mit denen er Brynat von der Burg verjagen konnte. Natürlich wäre das keine einfache Aufgabe, aber mit einer Handvoll mutiger Soldaten mußte es ihm möglich sein, seine Heimatburg wieder zurückzugewinnen.
Melitta hatte er hierhergerufen, weil er damals nicht wußte, wie sicher er Barron in die Hand bekommen konnte. Andererseits ahnte er auch nicht, ob er mit Melitta über lange Zeit einen starken Rapport unterhalten konnte, denn sie war keine geschulte Telepathin. Seine eigene Kenntnis der Laran-Kräfte auf Darkover war lückenhaft, vielleicht sogar mit Irrtümern durchsetzt. Nur seine Blindheit hatte ihn dazu getrieben, ohne Lehrer seine eigenen Kräfte zu entwickeln. In einer rauhen Welt mußte ein körperlich behinderter Mann auf andere Wege sinnen, sich in ihr zurechtzufinden. Er konnte reiten, sogar im Umkreis der Burg klettern, und dabei brauchte er wenig Hilfe. Er war stolz darauf, daß er den Besitz selbst verwalten konnte. Seine Geschwister hielten zu ihm. Es war auch alles gutgegangen, bis Brynat die Belagerung begann. Da war ein Blinder natürlich hilflos.
Sein Körper lag in Trance und war vor Brynat geschützt. Sein Geist konnte Hilfe suchen - und auf Rache sinnen.
Die Sonne brannte heiß herunter, und er hatte den Reitmantel zurückgeschlagen. Geräusche, Gerüche und selbst die Luft war anders als in irgendeiner anderen Stadt auf Darkover. Es roch nach Gewürzen, Weihrauch und Staub. In den letzten Jahrzehnten mußte Carthon reichen Zuwachs an Trockenstädtern bekommen haben, da es hier Wasser vom Kadarin-Fluß gab. Trotzdem zweifelte er allmählich daran, daß er hier die Hilfe finden könnte, die er suchte. Hier ging es nur um Prestige und um Gewinn, wie er den Reden der Kaufleute, mit denen er geritten war, entnehmen konnte. Ein Außenseiter hatte dort nichts zu suchen. Seine einzige Hoffnung war die, ein paar versprengte Banditen aus den Bergen anwerben zu können. Vielleicht wurde der eine oder andere Trockenstädter von Brynats Reichtümern angelockt.
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