Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
durch ihre Eingeweide zog. »Carath, willst du hier bleiben und essen oder mit mir kommen und mir beim Training zusehen?«
»Schnelles Essen ist nicht gut.« Carath wandte sich zum Gehen.
»Bis später!« Serrashil winkte ihren beiden Freunden zum Abschied und warf Delren einen entschuldigenden Blick zu. Er schüttelte verständnisvoll lächelnd den Kopf und deutete auf den Tisch.
»Bis Mittag. Überanstreng dich nicht!«
Sie nickte und hastete mit Carath zwischen den Tischreihen und Studenten hindurch zum Ausgang. Delren hatte leicht reden. Er war schon genauso lange an der Hohen Schule wie sie, aber er hatte es bereits in den dritten Grad geschafft und wie es jetzt stand, würde er mit hoher Wahrscheinlichkeit bei den Prüfungen in den vierten aufsteigen. Serrashil kämpfte hingegen immer noch darum, überhaupt in den dritten Grad zu kommen.
Sie schüttelte den Kopf. Was dachte sie da? Auf ihren Liebsten brauchte sie nicht eifersüchtig zu sein, bei den Schrecken, die er in seinem Leben schon erleben hatte müssen.
Zusammen mit Carath eilte sie auf ihr Zimmer, um sich ihre Ausrüstung zu holen, und kam eine halbe Stunde später schwer atmend bei der Trainingshalle an. Während sich Serrashil zusammen mit den beiden anderen Frauen umkleidete, verschwand Carath in der Halle, um sich auf die einzelne Zuschauerbank zu setzen, die sich darin befand.
Kurze Zeit darauf waren alle dreizehn Studenten ebenfalls in dem Trainingsraum versammelt und hatten sich vor Großmeister Randef aufgestellt. Sie wärmten sich auf und übten einige Grundtechniken, ehe Randef sie absetzen ließ und sich, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, vor ihnen aufbaute.
»Das Jahr neigt sich dem Ende zu und wie ihr alle wisst, gilt es, eine Prüfung zu bestehen«, begann er ohne Umschweife. »Der ein oder andere unter euch plant vielleicht, sich um eine Aufnahme in den Daera-Grad zu bemühen. Dafür gilt es, eine gesonderte Aufgabe zu erfüllen.«
Serrashil atmete tief durch. Sie wusste schon, was jetzt kam, und es gefiel ihr ganz und gar nicht. Ihre Eltern würden Mühe haben, ihre Enttäuschung zu verbergen, wenn sie es dieses Jahr wieder nicht in den dritten Grad schaffte.
Randef schritt vor seinen Schülern auf und ab. »Es gibt unzählige waffenlose Kampfkünste mit unzähligen Ritualen, Techniken und Formen in der Bekannten Welt. Beinahe jedes Volk sah sich in seiner Geschichte schon einmal damit konfrontiert, ohne nötiges material für Waffen kämpfen zu müssen. An der Hohen Schule lehren wir nur die bekanntesten der Künste, alles andere würde den Rahmen sprengen. Dennoch wollen wir unseren Studenten nahelegen, sich ebenso mit exotischeren Arten der waffenlosen Kampfkunst zu beschäftigen.« Der Großmeister legte eine Kunstpause ein. »Eure Aufgabe wird es sein, eine dieser unbekannten Arten ausfindig machen und in der Zeit bis zum Jadefest so viel darüber zu lernen, wie es euch möglich ist. Beim Jadefest erwarten wir eine Vorstellung des Gelernten, die darüber entscheidet, ob ihr in den dritten Grad erhoben werdet oder nicht. Je unbekannter die Kampfkunst und je mehr perfekte Techniken ihr daraus vorführen könnt, desto sicherer ist euch der Aufstieg.« Randef machte eine Handbewegung und seine Studenten erhoben sich augenblicklich.
Serrashil atmete tief ein. Es hätte schlimmer kommen können. Gedanklich ging sie all die Kampfkünste durch, die sie in ihrer Kindheit in der Schule ihrer Eltern gesehen hatte. Es war keine dabei, die ihr auf Anhieb exotisch genug vorkam. Dieses Mal musste sie jedoch eine finden.
Den Rest der Stunde verbrachten sie mit Verfeinerungen der Grundtechniken. Anschließend hatte es Serrashil sehr eilig, sich auf ihrem Zimmer frisch zu machen und zum Mittagessen zu kommen. Ihr Hunger drohte fast unerträglich zu werden. Nach dem Essen ging es mit Delren zu einer Unterrichtseinheit im Bewaffneten Kampf, das sie beide als Nebenfach belegt hatten. Anstatt die Klingen zu kreuzen, durfte Carath unter der überschwänglichen Begeisterung ihres Großmeisters Ophales seine Bogenschießfertigkeiten unter Beweis stellen. Danach machten sie sich auf in die Stadt, wo sie mit Kie in ihrer Stammtaverne Zu den drei Kronen verabredet waren, um ihre Prüfungsvorbereitungen zu besprechen.
In den drei Kronen war es nicht übermäßig voll, was daran liegen mochte, dass die meisten Studenten mit der Vorbereitung auf ihre Prüfungen beschäftigt waren. Delren ging zielstrebig zwischen den runden Tischen
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