Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
Runde und hastete aus der Taverne. Der Ayerip beeilte sich, ihr zu folgen.
»Warum nur hat er sie als seine Gefährtin erwählt?« Kie ließ sich seufzend auf ihren Platz zurücksinken und brach damit das erdrückende Schweigen, das nach Rielles Abgang geblieben war. Nach und nach nahmen auch die anderen Gäste wieder ihre Gespräche auf.
»Es passiert in Ledapra häufig, dass Menschen ihre Ayeripen als Haustiere sehen statt als gleichwertige Partner.« Delren zuckte mit den Schultern. »Sie sind selbst schuld. Einen Ayeripen an der Seite zu haben, kann einem von großem Nutzen sein. Schon alleine deshalb, weil man jemanden hat, dem man all seine Ängste und Sorgen anvertrauen kann.«
»Was wollte die Frau von mir?« Caraths Stimme war so leise, dass Serrashil ihn beinahe überhörte.
»Sie wollte, dass du ihr Freund wirst«, antwortete Serrashil zerknirscht. Und was für ein Freund! »Allerdings nur, damit sie leichter an Energiespeicher kommt. Menschenmagier sind in dieser Hinsicht auf euch ...« Sie stockte und rang nach Worten. Jetzt durfte sie nichts Falsches sagen. »… Elfen angewiesen.«
Caraths linkes Ohr zuckte. »Galdana besitzen keine Energiespeicher.« Er stockte und fügte leiser hinzu: »Nicht mehr.«
»Dann handelt es sich um vergebene Liebesmüh.« Kie lächelte. »Bitte sagt es Rielle erst, wenn ich dabei bin. Ich würde zu gerne ihr Gesicht sehen, wenn sie erfährt, dass sie bei Carath an der falschen Adresse ist, wenn es darum geht, ihn auszunutzen.«
»Also wirklich, Kie. So nachtragend kenne ich dich gar nicht.« Delren schlang einen Arm um Serrashils Schultern und blickte ihr tief in die Augen. »Wir sollten langsam zurückkehren. Die Zeit verrinnt und wir haben Morgen viel zu erledigen.«
Serrashil nickte. Morgen hatte sie einen langen Tag vor sich. Die Bibliothek wartete darauf, nach exotischen Kampfkünsten durchkämmt zu werden.
Sie zahlten und machten sich auf den Weg zurück zur Hohen Schule. Delren verabschiedete sich bereits am Tor; er wollte noch etwas für seine Aufgabe vorbereiten. Als die Wohntürme in Sicht kamen, wollte Serrashil Kie eine gute Nacht wünschen, doch ihre Freundin kam ihr zuvor.
»Schau mal, da steht jemand vor deinem Wohnturm.« Kie deutete auf eine dick eingemummte Gestalt, die sich breit vor die Eingangstür gestellt hatte.
»Und weiter?« Serrashil hob die Augenbrauen. Es war nichts Ungewöhnliches, in der Hohen Schule jemanden herumstehen zu sehen.
Kie legte den Kopf schief. »Er trägt das Wappen Jadestadts. Es muss der Bote eines Großmeisters sein.«
»Na wunderbar, was will der denn?« Es war klirrend kalt und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich in ihr warmes Bett zu kommen. Der Schlafmangel der letzten Nacht machte sich bemerkbar. Ihre Augenlider waren schwer wie Blei und jeder Schritt so anstrengend wie eine Trainingseinheit bei Großmeister Randef. Kein Wunder, immerhin hatte sie einen langen Tag hinter sich.
»Ihr seid Yosura?«, fragte der Mann nicht gerade glücklich, als sie vor ihm standen. Er hatte die Arme fest um den Körper geschlungen und schniefte in unregelmäßigen Abständen.
»Ich bin eine Yosura.« Serrashil nickte ihm kurz zu. »Das hier ist …«
»Seid Ihr Serrashil Fraekut?«
»Ja …« Sie zog die Augenbrauen zusammen. Nicht schon wieder. Was wollten die Großmeister heute ständig von ihr? Wenn es Komplikationen mit Caraths Aufnahme gab, sollten sie das mit dem Winterelfen selbst besprechen. Sie brauchte dringend ein Bett, sonst lief sie in Gefahr, im Stehen einzuschlafen.
»Der Schulleiter wünscht Euch zu sehen.«
Kapitel 9
Kie hatte darauf bestanden, sie zu begleiten, nachdem der Bote sie angewiesen hatte, den Weg zur großen Hecke zu nehmen. Carath hatte sich von ihnen verabschiedet und war zu Bett gegangen. Nun stapften sie gemeinsam über den verschneiten Kiesweg, der durch die Gartenanlage der Hohen Schule führte. Serrashils Herz schlug vor Aufregung schneller. Alle Müdigkeit war wie weggeblasen. Rinartin wollte sie höchstpersönlich sprechen – und nicht nur das. Dass er sie zur Grenzhecke bestellte, konnte nur bedeuten, dass er sie in den verbotenen Bereich hinter der immergrünen Pflanzenmauer bringen wollte. Zumindest bezweifelte Serrashil, dass er mit ihr einen Abendspaziergang durch den Garten machen wollte.
Bei dem Gedanken daran war sie hin- und hergerissen zwischen gespannter Erwartung und dem Wunsch, kehrt zu machen und einfach davonzulaufen. Soweit sie wusste, war noch
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