Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
das die Unterkunft des Schulleiters war?
Rinartin ging zur Tür und stieß sie auf. »Bitte, tritt ein.« Er wich zur Seite, um Serrashil durchzulassen. Sie musste sich bücken, um durch den Türstock zu gelangen, ohne sich den Kopf daran zu stoßen.
Im Inneren des Häuschens war es angenehm warm. Von dem Flur, in dem sie sich befanden, zweigten drei türlose Durchgänge ab. Aus einem von ihnen nahm sie sanften Feuerschein wahr.
Rinartin drückte den Hebel nach unten, der das magische Feuer aktivierte. Es wurde heller, aber nicht zu aufdringlich, gerade angenehm. Er streifte sich seinen Mantel ab und zog die Schuhe aus. Serrashil beeilte sich, es ihm nachzutun, und hängte ihre Sachen genau wie der Schulleiter an einen Haken an der Wand.
»Gehen wir am Besten ins Wohnzimmer. Möchtet Ihr etwas trinken? Ich kann Euch leider nicht viel anbieten; ich habe nur Wasser oder Tee.«
»Nichts davon, danke«, krächzte Serrashil und räusperte sich. Auch wenn sie sich im Inneren des Hauses deutlich wohler fühlte, lastete die Ungewissheit immer noch auf ihr. Was um alles in der Welt wollte Rinartin von ihr?
Wie es zu erwarten war, antwortete er nicht auf ihre stumme Frage, sondern lächelte nur sein freundliches Lächeln und ging voran bis zum Ende des Ganges, um durch den dritten Durchgang zu schreiten. Serrashil folgte ihm. Der Raum, der dahinter lag, war ein gemütliches kleines Wohnzimmer. Feuer flackerte im Kamin und vertrieb die winterliche Kälte. Die Mitte des Zimmers wurde von zwei Sofas und einem niedrigen Tisch eingenommen, auf dem sich Bücher und lose Papiere stapelten.
Rinartin deutete ihr, sich zu setzen, und nahm gegenüber Platz. Er verschränkte die Finger ineinander und starrte für wenige Sekunden ins Leere, ehe sich sein Blick unvermittelt klärte und auf sie richtete.
»Ihr werdet Euch mit Sicherheit wundern, weshalb ich Euch hierher gebracht habe.«
Serrashil antwortete nicht darauf. Jeder Muskel in ihrem Körper war angespannt und sie mahnte sich bewusst, sich zu entspannen. Der Schulleiter würde ihr schon nicht den Kopf abreißen.
»Habt Ihr schon eine Idee, wie Ihr Eure Abschlussaufgabe lösen könnt?«
Sie blickte auf. Kurz glaubte Serrashil, sich verhört zu haben. Ihre Abschlussaufgabe? Warum interessierte sich der Schulleiter dafür? Rinartin erwiderte ihren Blick ruhig. Als das Schweigen unangenehm zu werden drohte, antwortete sie zögerlich: »Nun ja … Nichts wirklich Konkretes, nein.«
Der Schulleiter nickte und deutete auf das Dokument, das ganz oben auf einem der Stapel lag. Es stand etwas darauf geschrieben, doch Serrashil konnte es von ihrer Position aus nicht lesen. »Ich habe vor wenigen Tagen einen Brief aus Arka erhalten. Er kommt vom dortigen Ministerium für Bildung und Forschung.«
»Ah ja?« Serrashil runzelte die Stirn. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was das mit ihr zu tun hatte. Außer … Ihr Herz setzte einen Schlag aus und sie sah ungläubig zu Rinartin. Es lag in der Hand des Ministeriums ihres Landes, ob sie an der Hohen Schule studieren durfte oder nicht. Dass man dem Schulleiter einen Brief schickte, der sie betraf, konnte eigentlich nur eines bedeuten. »Man entzieht mir die Erlaubnis, hier zu studieren?« Sie hatte gefasst klingen wollen, aber ihre Stimme zitterte merklich. Wütend auf sich selbst ballte sie die Hände zu Fäusten und funkelte Rinartin entschlossen an. Wenn sie schon rausgeworfen wurde, dann wollte sie es wenigstens mit erhobenem Kopf hinter sich bringen.
»Nein.« Trotz dieser Antwort blieb Rinartins Gesichtsausdruck ernst, weshalb Serrashil noch nicht wagte, erleichtert aufzuatmen. Gespannt wartete sie ab, was folgen würde. »Nachdem Ihr bereits vier Jahre hier studiert und erst den zweiten Grad erreicht habt, wurde ich gebeten, Euch der Schule zu verweisen, solltet Ihr Eure Prüfung für den dritten Grad dieses Jahr nicht bestehen.«
Serrashil schloss für einen Moment die Augen und lehnte sich langsam zurück. Rinartins Worte wirbelten in ihrem Kopf durcheinander und erzeugten ein Bild, das ihr überhaupt nicht gefiel. Um die Prüfung zu bestehen, musste sie eine Aufgabe lösen, mit der sie im Grunde genommen nichts anfangen konnte. Sie hatte keine Ahnung, wo sie mit der Suche nach einer geeigneten Kampfkunst beginnen sollte, die Bibliothek war groß. Und selbst wenn sie passende Bücher fand – sich in dieser kurzen Zeit nur mithilfe von Büchern eine Kampfkunst anzulernen und gut vorzustellen, war
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