Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
auf jeden Fall mit Rinartin sprechen, der Schulleiter würde bestimmt wissen, was zu tun war und wem man trauen konnte.
Sie hielt inne, das tropfende Gesicht über die Schüssel gebeugt. Rinartin würde mit Sicherheit Mashdin trauen, doch ob dieses Vertrauen berechtigt war, wusste sie nicht. Serrashil sah keinen Grund, weshalb der Utera einen der beiden Großmeister und noch dazu Rinartin, dem er ein guter Freund zu sein schien, tot sehen wollte. Auf der anderen Seite hatte er Carath indirekt Unterricht durch Farva angeboten und plante, mit ihnen zur Hohen Schule reisen. Warum? Um Caraths Arbeit dort zu überwachen?
Sie schüttelte den Kopf. Das war völlig abwegig. Wurde sie schon so wie Rinartin, der laut Seran an jeder Ecke Verschwörungen witterte? Dennoch wollte sie lieber auf Nummer sicher gehen und zunächst nur mit Randef und ihren Freunden darüber sprechen, denn sie waren die einzigen, denen sie voll und ganz traute.
Serrashil trocknete sich das Gesicht an einem Leinentuch und fuhr sich über die Schläfe. Definitiv zu viel Stoff zum Nachdenken und zu wenig Schlaf. Sie griff nach ihrem Trinkkrug, um ihre ausgedörrte Kehle zu bewässern, aber lediglich ein Tropfen Wasser benetzte ihre Lippen. Na wunderbar. Da sie soviel geschwitzt hatte, musste sie im Halbschlaf alles ausgetrunken haben. Ihr Hals brannte und verlangte nach Flüssigkeit, um die Wüste in ihr zu vertreiben. Seufzend schnappte sich Serrashil die Schale Magischen Feuers samt der dazugehörigen Halterung und den leeren Wasserkrug. Dann verließ sie ihr Zimmer und machte sich auf den Weg ins Erdgeschoss, um sich in der Küche frisches Wasser zu holen.
Mit einem Schöpflöffel schenkte Serrashil das Wasser von einem der beiden großen Fässer in den Krug ein, als sie von einem Scheppern hinter sich gestört wurde. Erschrocken ließ sie das Gefäß fallen, das auf dem steinernen Boden in tausend Stücke zerbarst. Wasser und Tonscherben schlugen ihr um die nackten Beine, doch sie kümmerte sich nicht darum, sondern drehte sich mit wild schlagendem Herzen in die Richtung um, aus der das Geräusch gekommen war.
Carath blickte ihr entgegen, in seiner Bewegung erstarrt. Serrashils Blick wanderte von ihm zu der Reisetasche, die er über der Schulter trug und wieder zurück zu ihm. Er wollte doch nicht etwa …?
Ihr blieb nicht lange Zeit, das Bild zu realisieren, das sich ihr bot, denn Carath wirbelte auf dem Absatz herum und stürmte aus der Küche. Er floh.
Serrashil hörte die Eingangstür zufallen, schlug aber den Weg in den zweiten Stock ein. Drei Treppenstufen auf einmal nehmend hastete sie hinauf in ihr Zimmer und stopfte ihr Zeug zusammen. Im flackernden Licht des Magischen Feuers kritzelte Serrashil eine Notiz an Mashdin auf einen Papierbogen, der auf dem Tischchen gelegen hatte. Darin berichtete sie knapp von ihrem raschen Aufbruch, verzichtete jedoch darauf, einen genauen Grund anzugeben. Er hatte nur Gutes für sie getan, weshalb sie ihn nicht gänzlich im Unklaren über ihr Verschwinden lassen wollte, aber sie blieb dabei, dass sie ihm nicht weit genug traute, um die näheren Umstände zu beschreiben. Außerdem blieb ihr auch nicht genug Zeit, wenn sie Carath noch einholen wollte.
Nachdem sie all ihre Sachen zusammen hatte, lief sie wieder nach unten, warf sich ihren Wintermantel über und stürmte nach draußen. Zu allem Überfluss fielen dicke Schneeflocken vom nachtschwarzen Himmel. Das erschwerte ihre Suche nach Carath noch zusätzlich.
Anstatt ihm durch das Tor hinterher zu rennen, suchte sie die Ställe auf. Ihr Geruchssinn hatte sie nicht getäuscht, denn ein verhaltenes Wiehern grüßte sie. Im Dunkeln ertastete sie Sattel und Zaumzeug und holte das nächstbeste Pferd in der Hoffnung, dass es das richtige war. Serrashil wollte Mashdins Pferd nicht mit einem unpassenden Sattel zu Schaden reiten, doch sie konnte es sich nicht erlauben, noch mehr Zeit zu verlieren.
Ohne lange zu striegeln, sattelte sie das Pferd auf und führte es in den Hof, um sich sogleich auf seinen Rücken zu schwingen und die Beine in die Seite zu pressen. Unwillig ob der unsanften Behandlung peitschte das Reittier mit dem Schweif, setzte sich jedoch in Bewegung und bald darauf rasten sie gen Südwesten übers Land, immer dem Ufer des Palsa entlang.
Es machte Serrashil stutzig, dass sie Carath nirgendwo entdeckte. Sie hätte ihn auf ihrem Pferd längst einholen müssen, egal wie schnell er gerannt war. Erst als sie im spärlichen Licht des Mondes, das
Weitere Kostenlose Bücher