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Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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immer gewollt hatte: ein Kind und eine Karriere. Und doch konnte sie weder das eine noch das andere vollkommen genießen.
    Dass die Lösung dieses Rätsels in der Liebe eines guten Mannes liegen würde, war keine plötzliche Eingebung. Es war eher eine Verschmelzung von Gedanken, ein sich langsam festigender Entschluss: Wenn sie einen Mann kennenlernte, den sie liebte, der bereit war, die Verantwortung mit ihr zu tragen, hätte sie die Kraft, das Richtige zu tun: ihren Sohn zurückzufordern und mit einem Streich ihre Schuld und ihr Traurigkeit zu beseitigen.
    Ob Ray Montane das gewisse Etwas ausstrahlte, als sie ihn zum ersten Mal sah, das darauf hindeutete, der Moment sei gekommen, konnte Diane später nie mit Sicherheit sagen.
    |143| Sie waren sich im Juni begegnet, während ihres ersten Aufenthalts in Hollywood, nach
Fortune’s Fool
sechsmonatiger Spielzeit. Herb Kanter hatte Probeaufnahmen in London vereinbart. Eine Formalität, erklärte er. Die Anzugträger bei Paramount und – noch wichtiger – Gary Cooper müssten sich ein Bild von ihr machen.
    Die Aufnahmen waren – dieser Ansicht war zumindest Diane – eine Katastrophe. Sie war zwar kein Neuling mehr vor der Kamera, denn sie hatte in ein paar kleinen, britischen Filmen mitgespielt und wusste einiges über den Unterschied zwischen Schauspielerei auf der Bühne und im Film, darüber, wie intim die Kamera sein konnte, dass die Augen eine Rolle spielten und weniger stets mehr war. Aber am Tage der Aufnahmen war all dieses Wissen wie weggeblasen.
    In einer schäbigen Ecke in den Elstree Studios saß Herb (der in seinem glänzenden schwarzen Anzug noch mehr wie ein Seelöwe aussah) hinter einer Scheibe und sah zu, wie Diane eine Szene aus dem Drehbuch von
Remorseless
spielte – zusammen mit einem jungen Schauspieler. Der Junge war wohl weniger wegen seines Talents, sondern eher, weil er billig gewesen war, angeheuert worden und spielte Gary Coopers Rolle. Sie wiederholten die Szene sieben. oder achtmal, und jedes Mal schlechter als zuvor. Diane wurde immer wütender. Als es vorbei war, lachte sie darüber und blieb noch eine Weile, um zu plaudern und eine Zigarette zu rauchen. Sobald sie aber im Taxi nach Hause fuhr, brach sie in Tränen aus und weinte den ganzen Weg zurück nach Paddington.
    Erst später erfuhr sie, dass der listige Herb dem Kameramann gesagt hatte, die Kamera laufen zu lassen. Was für die Anzugträger ausschlaggebend gewesen war, war ihr natürlicher, tobender, selbstkritischer Auftritt nach Beendigung der Aufnahmen. Als Gary Cooper sie sah, hatte er gesagt, Diane sei
umwerfend
. Jeder wollte sie kennenlernen, und sobald sie nicht mehr auf |144| den Bühnenbrettern stehen musste, wurde sie Erster Klasse nach Hollywood geflogen.
    Ein zwei Wochen andauernder Wirbelsturm von Meetings und Partys, Lunches und Dinners folgte. Diane traf Manager und Agenten, Publicityleute und Studiochefs. Nur
Coop
, wie er von jedermann genannt wurde, bekam sie nicht zu Gesicht. Der Lunch bei Paramount war wegen unvorhergesehener und unvermeidbarer Familienangelegenheiten, wie Herb es genannt hatte, abgesagt worden.
Coop
schickte eine freundliche handgeschriebene Entschuldigung, in der er erklärte, wie sehr er sich freue, mit Diane zusammenzuarbeiten.
    Diane bekam einen Vertrag für drei Filme mit einer Anfangsgage von achthundert Dollar die Woche, die ihr neuer Agent namens Harry Zucker – ein eleganter Mann, der Krawatten trug und eine für ihn typische weiße Gardenie im Knopfloch – auf eintausend Dollar hochtreiben konnte. Diane hätte auch umsonst gearbeitet. Harry hatte Ende der ersten Woche ihres Aufenthaltes in den Büroräumen seiner Agentur auf dem Sunset eine Party gegeben. Und hereinspaziert kam Ray Montane.
    Ray war nicht eingeladen gewesen. Er hatte nur zufällig an jenem Abend seinen eigenen Agenten aufgesucht, der ihn mitgebracht hatte. Diane fiel er auf, sobald er das Zimmer betrat. Hätte er einen Cowboyhut getragen, dann hätte sie ihn vielleicht erkannt, denn sie versuchte, mit Tommys TV-Western mitzuhalten, und kannte fast alle seine Helden – auch Red McGraw – von den Bildern an seinen Wänden. An diesem Abend jedoch trug Ray seine Cowboykluft nicht. Diane sah nur einen großen, schlanken und braungebrannten Mann in einer offenen Lederjacke, einem weißen Hemd mit Druckknöpfen und schwarzen Jeans (die handgefertigten Cowboystiefel hatte sie noch nicht gesehen). Sein dunkles Haar war kurzgeschnitten, er hatte lange Koteletten und

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