Die wir am meisten lieben - Roman
breite Treppe hinauf ins Haus. Herb erklärte, der Name des Mannes, dem er sie vorstellen wollte, sei Vernon Drewe. Er sei Anwalt, aber auch der beste Pressemann in der Stadt.
|155| Drewe unterhielt sich vor einem der Gauguins mit Herbs Frau. Er war ein großer und eleganter Mann, wahrscheinlich Anfang fünfzig. Seine Stimme war so sanft, dass man sich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen. Er sagte, er habe ihrer Begegnung schon freudig entgegengesehen, und nachdem sie eine Weile geplaudert hatten, sagte er, wenn er ihr je helfen könne, sei es ihm eine Freude. Diane hatte den Eindruck, dass Herb ihm bereits viel von ihr erzählt hatte, dass die Dinge besprochen und arrangiert waren. Vernon gab ihr seine Visitenkarte, und sie versprach, ihn anzurufen.
Sie verabschiedeten sich kurz nach Mitternacht. Die Kammerdiener in den gestreiften Westen riefen die Limousine herbei, die sie nach Hause bringen sollte. Im Wagen erzählte Ray ihr von Steve Shelby und von dem Drehbuch, das der für Ray in der Hauptrolle geschrieben hatte. Eine Art moderner Western. Der Titel klang so ähnlich wie
The Misfits
, der Film, den Gable und Marilyn kürzlich abgedreht hatten. Aus Shelby werde mal was, sagte Ray. Er wolle ihm das Drehbuch schnellstens schicken.
»Das ist wundervoll«, sagte Diane.
»Ja, abwarten.«
»
Abwarten
. Ach komm, das ist doch phantastisch.«
Ray legte seinen Arm um sie, und Diane lehnte sich an ihn.
»Entschuldige, dass ich vorhin ein bisschen schlechtgelaunt war.«
»Du hast ausgesehen wie auf einer Beerdigung.«
Ray lachte. Fast hätte er ihr die Wahrheit gesagt. Dass er eifersüchtig war, als er sah, wie sie sich mit einem anderen Mann amüsierte. Noch dazu mit dem Schürzenjäger Bill Holden. Es war eine ganz neue Erfahrung für Ray. Noch nie hatte er so für eine Frau empfunden. Frauen waren diejenigen, die eifersüchtig wurden, verdammt, nicht er. So war es am Ende jedenfalls immer, ein riesiger, |156| gewaltsamer Ausbruch, Schreierei, Tränen und nicht selten fliegende Fäuste, wenn er irgendeinem neuen Mädchen, das ihm aufgefallen war, zu viel Aufmerksamkeit schenkte.
Mit Diane war es anders. Vier Monate und nicht ein Moment am Tag, dass er sie nicht hatte vögeln wollen. Ihr ging es offenbar nicht anders. Es war wie eine Krankheit, die sie beide ereilt hatte. Der Gedanke, dass ein anderer Mann es mit ihr trieb oder auch nur daran dachte, weckte die grausamsten Gefühle in ihm.
Er küsste ihren Hals und atmete ihren Duft ein, Schweiß vermischt mit Parfum. Ein Duft, der für Geld nicht zu haben war, der einem Mann direkt zwischen die Beine fuhr. Sie spürte das und legte ihre Hand genau dorthin.
Dolores sah im Wohnzimmer fern, und als Diane sie sehr freundlich fragte, ob mit Tommy alles gutgegangen sei, erwiderte sie ohne ein Lächeln: Selbstverständlich. Als beinhalte die Frage den Hauch einer Kritik. Das arme Mädchen mochte Ray noch immer und blickte Diane böse an. Ray hatte ihr schon die Leviten gelesen, ihr gesagt, sie solle gefälligst ein wenig freundlicher sein. Er wünschte sich, wie schon oft in der Vergangenheit, dass er seine Zuneigung nicht so offen gezeigt hätte. Er hatte sie nicht öfter als drei- oder viermal gebumst. Warum um alles in der Welt mussten Frauen diese Dinge immer so ernst nehmen? Dolores ging an ihm vorbei zu ihrem Zimmer und warf ihm mit ihren großen traurigen Augen einen indiskreten Blick zu. Vielleicht sollte er sie entlassen.
Er öffnete den Reißverschluss an Dianes Kleid, während sie die Stufen vor ihm hinaufging. Sie blieb stehen und lehnte sich zurück. Seine Hände glitten unter ihr Kleid und hielten ihre Brüste. Diane drehte sich um und küsste ihn.
»Ich muss noch nach Tommy sehen«, flüsterte sie. »Es dauert nicht lange.«
Ray begab sich ins Schlafzimmer, warf Jackett und Hemd über die Stuhllehne. Dann ging er ins Bad und betrachtete sich |157| im Spiegel. Kein schöner Anblick. Seine Gedanken waren vernebelt von zu viel Jim Beam und dem Joint, den er auf dem Rasen bei Kanters geraucht hatte. Er löschte das Licht, setzte sich auf das Bett und streifte seine Stiefel ab. Kerzen – Diane mochte Kerzen. Er zog die Schublade vom Nachttisch auf, suchte nach Streichhölzern und schob die Tüte Marihuana zur Seite und die stupsnasige Smith & Wesson Kaliber 38. Diane machte ihm wegen beider Sachen das Leben schwer.
Ray zündete die Kerzen an beiden Seiten des Bettes an, ließ sich fallen und blieb auf dem Rücken liegen. Seine Brust hob und
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