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Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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irgendjemand musste der Presse einen Tipp gegeben haben, denn als sie aus der Kapelle traten, waren jede Menge Fotografen da. Sie mussten sich auf die Stufen stellen und im Blitzlichtgewitter lächeln. Die Fotografen riefen:
Diane! Ray! Hier! Diane!
Einer brüllte sogar:
Tommy!
Zum ersten Mal in seinem Leben kam er sich vor wie eine Berühmtheit. Am nächsten Tag flogen sie nach Hawaii. Hochzeitsreise. Auch da waren Fotografen, und das Bild von ihnen mit Blumenkränzen um den Hals schmückte die Titelseite des Lokalblatts.
    »Okay, Tom, sollen wir sie ein bisschen laufen lassen?«
    Cal und er waren durch das Wäldchen ins Tal geritten. Die Luft war warm, und es roch süß. Tommy drückte sanft seine Hacken in Chesters Seite, so wie Cal es ihm gezeigt hatte. Das Pony trabte los. Die letzten hundert Meter am Bach entlang ließen sie die Pferde in Galopp fallen. Tommy liebte das Hufgetrappel und den warmen Wind im Gesicht. Sein Hut fiel herunter. Cal hob ihn im Ritt wieder auf und gab ihn zurück, als sie wieder in Schritt verfielen. Sie ritten auf einem Pfad aus dem Tal, der um den letzten Hügel herumführte, und dann sahen sie die Ställe und Cals kleines Haus und Diane, die neben dem gelben Galaxie auf sie wartete. Sie winkte ihnen zu.
    »Wie geht es meiner Starschülerin?«, fragte Cal, als sie näher kamen.
    |232| »Hey, ich dachte, ich sei dein Starschüler?«, sagte Tommy.
    Alle drei lachten sie.
    »Das sagt er all seinen Schülern«, sagte Diane. »Ach, ich wäre so gerne mitgekommen. Wie war’s?«
    »Wir haben eine kalifornische King Snake gesehen.«
    »Wirklich?«
    »Sie sind aber nicht giftig. Die Rassler sind die einzig giftigen Schlangen hier. Chester hat gescheut, aber ich bin im Sattel geblieben, stimmt’s, Cal?«
    »Ja, das hast du gut gemacht. Wenn er noch besser wird, verliere ich meine Anstellung.«
    Die beiden stiegen ab und führten die Pferde in den Stall. Tommy nahm den Sattel herunter, hängte ihn über das Geländer und rieb Chester ab. Cal sagte, Pferde liebten es, abgerieben zu werden. Anschließend führte Tommy die Pferde zur Tränke. Cal und Diane plauderten. Die beiden hatten sich angefreundet, seit Diane Unterricht nahm.
    Auf dem Weg nach Hause wollte Tommy wissen, warum jemand, der so nett war wie Cal, keine Frau und keine Kinder hatte. Diane sagte, manchmal dauere es, bis man die richtige gefunden habe, und außerdem, nicht jeder wolle heiraten. Manche Menschen lebten lieber allein.
    »Hättest du Cal vor Ray kennengelernt, hättest du ihn dann gerne geheiratet?«
    Diane lachte.
    »Was ist daran so komisch?«
    »Nichts. Nur du und deine Fragen.«
     
    Sie flogen in Herbs Lockhead Lodestar nach Arizona und beobachteten den Schatten des Flugzeugs unter ihnen. Die Berge waren rosa und zerklüftet von trockenen Flussbetten und geheimnisvollen Seen, in denen die untergehende Sonne aufblitzte. Tommy sah noch einmal den Grand Canyon. Sie versuchten, |233| die Stelle wiederzuerkennen, an der sie im Monat zuvor gestanden hatten, aber die Ausmaße des Canyons waren unvorstellbar. Etwas später bat Herb den Piloten, einen kleinen Umweg zu fliegen, damit sie einen Blick auf das Monument Valley werfen konnten. Sie flogen im Tiefflug ein und umkreisten die Säulen, die im Sonnenlicht wie die feurige Festung einer ausgestorbenen Rasse von Riesen rot und riesig aufragten und nach Osten hin im Schatten lagen.
    Herb saß neben Tommy am Fenster und zeigte ihm die Wahrzeichen, Orte, an denen Ford seine berühmten Szenen für
Searchers and Stagecoach
gefilmt hatte. Tommy konnte sich nicht sattsehen, und obwohl Ray all das schon kannte, war auch er voll kindlicher Ehrfurcht. Er legte seinen Arm um Diane, und sie lächelte und küsste ihn.
    Ray glaubte nicht an Schicksal oder Vorsehung oder an das, wofür Leute das verantwortlich machten, was ihnen widerfuhr. Wenn alles vorherbestimmt, von einer unsichtbaren, allmächtigen Hand geschrieben war, ohne dass die Möglichkeit der Selbstbestimmung bestand, worin lag dann der Sinn des Lebens? Seine Philosophie war eine andere. Das Leben war wie ein fieser Cop, der einem, wenn er nur die kleinste Chance hatte, in die Eier trat. Manchmal wurde dem miesen Hurensohn langweilig, und er schaute weg. Dann musste man seine Kraft sammeln und sich nehmen, was man kriegen konnte, sich wie ein Ladendieb die Taschen vollstopfen, bevor sein böses Auge wieder auf einen fiel. Überleben war nur eine Frage der Gerissenheit und hatte nichts mit Glück zu tun. Ray musste

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